Hallo Kai! Magst du dich kurz unseren Lesern vorstellen? Wahrscheinlich sind nicht alle mit der deutschen Facebook Führungsriege vertraut.
Gern! Mein Name ist Kai Herzberger und ich bin seit knapp sieben Jahren bei Facebook tätig. Als Group Director Commerce für den deutschsprachigen Raum schaffe ich mit meinem Team Lösungen für Unternehmen, die ihnen dabei helfen ihre Unternehmensziele mit unseren Plattformen zu erreichen. Darüber hinaus verantworte ich in der EMEA-Region die Zusammenarbeit mit Venture-Capital-Investoren und eCommerclern.
Als Group Director für den Commerce Bereich kannst du uns sicher etwas zur Strategie von Facebook und Instagram in diesem Bereich erzählen.
Der Verkauf und Handel von Produkten, ist seit jeher ein Bestandteil unserer Plattformen. Wir wollen Menschen die Möglichkeit geben, sich mit anderen zu verbinden – und mit den Dingen, die ihnen gefallen. Dazu gehören auch Produkte und Marken unserer Kunden. Wir arbeiten schon länger an unserer Commerce-Strategie: Nachdem wir Instagram Shopping 2018 nach Deutschland gebracht haben, haben wir weitere Funktionen ergänzt, intensiv am Shopping-Produkt gearbeitet und uns nun zum Ziel gesetzt mit Facebook Shops eine neue Plattform für den Handel zu etablieren. Unser Ansatz unterscheidet sich von Plattformen, auf denen sich die Menschen schon mit einer konkreten Kaufvorstellung bewegen. Wir möchten, dass sich die Menschen auf unseren Plattformen inspirieren lassen und Produkte entdecken. Besonders in Zeiten wie diesen: Aus einer aktuellen Studie zusammen mit McKinsey wissen wir, dass 60 Prozent der weltweiten Nutzer ein neues Unternehmen oder Produkt in der Pandemie auf unseren Plattformen entdeckt haben. Wir nennen diesen Ansatz Discovery Commerce. Dabei wollen wir den Online-Einkauf so attraktiv und nahtlos wie möglich gestalten. Das heißt, auf unseren Plattformen soll man Produkte nicht mehr nur finden, sondern auch kaufen können – ohne die App dafür verlassen zu müssen.
Das heißt wir werden für den Anbieter weitere Vereinfachungen sehen, wenn es darum geht die eigenen Produkte in den verschiedensten Netzwerken zu präsentieren?
Im Jahr der Corona-Pandemie haben wir den Rollout von Facebook Shops beschleunigt. Damit wollten wir in erster Linie kleine Unternehmen und jene unterstützen, die als Reaktion auf die Einschränkungen schnell und kostenlos einen Online-Shop einrichten mussten – und gleichzeitig mehr Optionen der Sichtbarkeit von Produkten für diejenigen Unternehmen schaffen, die schon auf unseren Plattformen aktiv sind. Nachdem zunächst nicht alle Unternehmen aufgrund technischer Voraussetzungen auf Shops umsteigen konnten, ist dies nun für die meisten Unternehmen möglich und auch wer ganz neu auf unseren Plattformen ist, kann einen Shop einrichten. Zusätzlich wissen wir, dass es in der Customer-Journey immer wieder zu Friktion kommt. In Europa sprechen wir hier von Opportunitätskosten in Höhe von 86 Milliarden Euro. Uns ist es deswegen wichtig, dass die Menschen ein für sie persönliches Shopping-Erlebnis haben.
Inzwischen ist das Produkt in 89 Ländern für alle Unternehmen verfügbar, die die Facebook Handelsrichtlinien erfüllen. Eine wesentliche Vereinfachung liegt darin, dass Seitenbetreiber über den Commerce Manager einen einzigen Online-Shop für unsere Plattformen einrichten können und keine separaten Shops für Facebook und Instagram mehr anzulegen brauchen. Wir arbeiten von Beginn an mit vielen Partnern zusammen, um die Anbindung von E-Commerce-Systemen zu unseren Plattformen einfacher zu gestalten.
Darüber hinaus werden Videoinhalte für Unternehmen immer wichtiger und wir sehen einen Bedarf nach zusätzlichen Funktionen für Shopping im Bewegtbildformat. Schon jetzt sehen wir wie Unternehmen Videoinhalte auf unseren Plattformen erfolgreich dazu einsetzen, Aufmerksamkeit für ihre Produkte zu generieren. Ein Beispiel dafür ist die Marke JACKS beauty line aus Berlin. Sie setzen in der Vermarktung ihrer Produkte vor allem auf Instagram Live und IGTV. Durch diese Formate konnte das Unternehmen zu Beginn der Corona-Zeit drei- bis fünfmal mehr Einnahmen erzielen als zuvor. Weil wir genau solche Entwicklungen in den letzten Monaten verstärkt beobachtet haben, haben wir jetzt weltweit Shopping in IGTV eingeführt. Weitere Tests zur Erweiterung von Shopping in unserem neuen Format Instagram Reels starten ebenfalls noch dieses Jahr – hier passiert also weiterhin viel.
Und auf der anderen Seite: Wie kann der Nutzer Produkte entdecken?
Im Grunde ganz einfach, indem er die Plattformen nutzt wie immer. Facebook hat eine sehr starke Discovery Engine. Das bedeutet, jeder Inhalt und jede Anzeige, die Menschen im Feed sehen, berücksichtigt ihre persönlichen Vorlieben, was das Entdecken so natürlich wie möglich macht.
Wenn Unternehmen Facebook Shops nutzen, sind die Produkte auf der Facebook-Seite oder im Instagram-Profil eines Unternehmens zu finden. Mehr Traffic kann über neue Entdeckungspunkte generiert werden, die direkt in den Shop führen. Ein Beispiel dafür ist Instagram Shop, das in den kommenden Wochen auch für die Nutzer in Deutschland verfügbar sein wird. Dabei handelt es sich um eine in die App integrierte Shopping-Destination, die es den Menschen leichter macht, neue Produkte zu entdecken. Sie finden dort personalisierte Empfehlungen auf Basis der Accounts, denen sie bereits folgen, und der Unternehmen, die Instagram Shopping nutzen. Im Laufe dieses Jahres fügen wir einen Shop-Tab in der Navigationsleiste hinzu, der mit nur einem Fingertipp zu Instagram Shop führt.
Du hast es bereits angesprochen „Shops“. Ist das nicht nur „alter Wein in neuen Schläuchen“? Schließlich gibt es den Shop Bereich bei Facebook bereits seit vielen Jahren.
Innerhalb des Shops können Händler einzelne Kollektionen anlegen, damit Kunden noch einfacher bestimmte Produkte finden können. Die Händler können ihren Shop außerdem unter anderem mit neuen Layout-Optionen personalisieren. Es ist insgesamt sicherlich so, dass wir hier noch in den Kinderschuhen stecken. Aber wir sehen den Launch als wichtigen Schritt in die richtige Richtung: Shops schließt Facebook und Instagram mit ein und das wird in Zukunft auch für WhatsApp sowie den Messenger gelten. Wir möchten eine zukunftsweisende Grundlage schaffen, auf deren Basis wir unsere Discovery-Commerce-Vision weiter ausbauen können: Produkte finden Menschen: Im Feed, in Stories, in Videos oder eben auch in unseren Messengerdiensten. Ziel ist, dass die gesamte Customer Journey in unseren Apps stattfinden kann, ohne Reibungspunkte. Wir sind noch nicht an allen Stellen so weit, bisher funktioniert der Checkout hierzulande zum Beispiel ausschließlich über die Website des Händlers, die per In-App-Browser angesteuert wird.
Ihr habt ja bereits seit langem Erfahrungen mit Shopping auf den Plattformen. Bereits Ende 2015 gab es erste Cases bei denen auch das Payment in Facebook möglich war. Warum hat diese wirklich entscheidende Funktion des Checkouts auf Facebook es bis heute nicht nach Deutschland geschafft?
Seit August dieses Jahres wird die Funktion flächendeckend für alle zugelassenen US-Unternehmen und Creator, die einen Shop auf Instagram besitzen, ausgerollt. Wir befinden uns also in einer fortgeschrittenen Phase der Tests. Doch mit der Einführung von Checkout gehen auch regulatorische Fragen einher, die dem Rollout in weiteren Ländern vorgelagert sind. Es gibt noch keinen offiziellen Zeitplan aber wir hoffen, dass wir Checkout im Laufe des Jahres 2021 auch außerhalb der USA etablieren können.
Damit ist der erste Wunsch für 2021 klar. Was sonst können wir in den nächsten Monaten erwarten?
Mit einem neuen Live-Shopping-Feature machen wir es in Zukunft für die Menschen auf unseren Plattformen noch leichter in Echtzeit einzukaufen. Unternehmen können dann innerhalb ihrer Livestreams die vorgestellten Produkte aus den jeweiligen Shops einbinden und verkaufen. Wir haben diese Funktion sowohl auf Facebook als auch auf Instagram getestet. Instagram Live Shopping steht nun bereits allen Unternehmen in den USA zur Verfügung, die auch Checkout nutzen. Auf Facebook wird die Funktion weiterhin getestet und im Laufe der Zeit weltweit ausgeweitet. Während dieser Phase können die Lives jedoch schon von Menschen überall auf der Welt angesehen werden.
Darüber hinaus testen wir Möglichkeiten, Treueprogramme von Unternehmen mit dem eigenen Facebook-Konto zu verbinden. So kann man seine Treuepunkte und Prämien ganz einfach im Blick behalten. Kleinen Unternehmen möchten wir helfen, ein Treueprogramm in Facebook Shops zu erstellen und zu verwalten. Daran arbeiten wir zur Zeit noch.
Das hört sich gut an, wir sind gespannt! Hast du für unsere Leser zum Abschluss noch zwei Tipps, worauf sie sich jetzt besonders konzentrieren sollten?
Gerade in der aktuellen Zeit und als Folge der Corona-Pandemie bewegen sich die Menschen immer mehr online – auf sozialen Medien und Websites. Dies birgt für Unternehmen großes Potenzial. Für sie ist es wichtig, die Wünsche dieser Menschen zu prognostizieren und ihre Produkte den Personen zu zeigen, die sich sehr wahrscheinlich dafür interessieren. Hier kommen Broad-Audience-Strategien und Facebook-Tools ins Spiel. Indem Unternehmen ihr Wissen über Kunden zum Beispiel via SDK und Conversions API übermitteln, können die maschinell lernenden Systeme besser erkennen, welche Anzeigen und Creatives am besten funktionieren. Wir empfehlen Unternehmen grundsätzlich datenbasierte Entscheidungen zu treffen. Dabei sind Messmethoden hilfreich, die Daten in Echtzeit liefern, so dass auch in Echtzeit Kurskorrekturen vorgenommen werden können.
Ein weiterer Tipp, den ich Unternehmen gebe: Sie sollten es Menschen leicht machen, Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Denn das kann sich positiv auf die Verkaufszahlen auswirken. Tatsächlich gaben im Rahmen einer Befragung durch YouGov durchschnittlich 40 Prozent der Personen an, dass sie eher bei einem Unternehmen einkaufen würden, wenn sie diesem eine Nachricht senden könnten. Es gilt also die Menschen wirklich auf der Customer Journey zu begleiten, mit ihnen persönlich oder über Messaging-Kanäle in Kontakt zu treten sowie Informationen auf Abruf bereitzustellen – und nicht bei Werbeschaltungen aufzuhören.
Vielen Dank Kai für deine Zeit!
Das Interview führte Jens Wiese.