Interview: Die Aktivitäten von Greenpeace im Social Web und auf Facebook

Greenpeace ist bekannt für seine Aktionen im Social Web. So wurden durch Kampagnen in den letzten Jahren einige Probleme bei Konzernen öffentlich gemacht. Nicht zuletzt die Verbreitung durch die Social Media Kanäle hat dabei geholfen die Inhalte sehr weit zu verstreuen. Deshalb haben wir für dieses Interview an Volker Gaßner (Teamleater Kommunikation, Greenpeace Deutschland) gewandt und ihn zu ihren verschiedenen Aktivitäten im Social Web befragt.

1. Willkommen Herr Gaßner! Können Sie sich und ihre Position kurz vorstellen?

Ich bin Teamleiter im Bereich Kommunikation und verantworte den Teilbereich Presse, Recherche und Neue Medien bei Greenpeace. Momentan arbeiten dort 17 Personen für die tagesaktuelle Kommunikation. Im Jahr 2000 habe ich als Kampaigner angefangen und meine Aufgabe war es Strategien für die Einbindung unserer Ehrenamtlichen Aktivisten in die Kampagnenarbeit zu entwickeln und durchzuführen. Außerdem war ich verantwortlich die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Ehrenamtlichen aufzubauen. In den folgenden Jahren habe ich Kampagnen wie z.B. die Müllermilch-Kampagne „Müllermilch = Genmilch“ geleitet.

2. Können Sie uns kurz die Aktivitäten von Greenpeace vorstellen?

Spektakuläre Aktionen haben Greenpeace weltweit bekannt gemacht. Die direkte Konfrontation mit Umweltsündern dient dazu, auf Missstände aufmerksam zu machen. Greenpeace-Aktivisten setzen sich persönlich für ihr Anliegen ein – dadurch erzeugen sie öffentlichen Druck auf Verantwortliche in Politik und Industrie. 1980 kam es in Nordenham zur ersten Greenpeace-Aktion in Deutschland – Aktivisten in Schlauchbooten protestierten gegen die Verklappung giftiger Dünnsäure in der Nordsee. Aber Greenpeace protestiert nicht nur, sondern wir arbeiten auch Lösungen. Wir haben den ersten FCKW-freien Kühlschrank entwickelt und schon in den Neunzigern ein Auto gebaut, dass mit weniger als drei Liter Sprit auskommt und serienmäßig zu bauen ist. Wir entwickeln Verbraucherratgeber zu Themen wie Fisch, Gentechnik und Pestizide. Eines unserer Kernthemen ist die Nutzung der Atomenergie, die wir strikt ablehnen. In den letzten Jahren haben wir detaillierte Pläne vorgelegt, wie wir aus der Nutzung der Atomenergie aussteigen können. Zurzeit arbeiten wir zum Thema CO2-Reduktion am Beispiel von VW und haben einen aktuellen Report veröffentlicht, wie die Textilindustrie chinesische Flüsse mit gefährlichen Chemikalien verschmutzt. Unsere Arbeit unterstützen unsere rund 560.000 Förderer mit ihrer Einzelspende. Staatliche Mittel oder Firmenspenden lehnen wir ab.

3. Facebook wird derzeit extrem gehyped, wie wichtig ist Facebook bzw. das Social Web für Greenpeace geworden? 

Greenpeace Deutschland auf Facebook

Facebook ist ohne Frage momentan eines der wichtigsten Sozialen Netzwerke weltweit. Facebook eignet sich für eine Kampagnenkommunikation sehr gut. Das Besondere für eine NGO ist es, dass sie durch Facebook die Möglichkeit bekommt, neue Zielgruppen zu erreichen. Also die Freunde der Freunde, die nicht im Verdacht stehen Greenpeace nahe zu sein. Sie können über Facebook unsere Aktionen sehen und begleiten. Wir versuchen möglichst viele Menschen für unsere Anliegen zu erreichen, damit wir gemeinsam Druck auf Politik und Industrie zur Veränderung erzeugen. Und diese Menschen treffen wir im Social Web und bei Aktionen auf der Straße.

Fananzahl und -zuwachs von Greenpeace Deutschland - Größter Peak des Jahres war am 13. März 2011. Kurz nach der dramatischen Katastrophe in Japan. (Screenshot: Allfacebookstats)

4. Auf Facebook wird oft von möglichst offener Kommunikation gesprochen. Dies müsste Greenpeace gut leisten können, oder? Inwiefern kann eine NGO wie Greenpeace sich denn öffnen?

In den Dialog mit vielen Fans auf Facebook zu treten ist allgemein jeden Tag eine neue Herausforderung, die uns viel Spaß, aber manchmal auch Kopfzerbrechen bereitet. Wir nehmen den Mitmachgedanken ernst und dazu gehört eben der Dialog auf Facebook. Unsere Aktionen führen auf Facebook oder auf unserem Blog zu vielen Kommentaren und Diskussionen. Da finden sich in der Energiedebatte auch die Mitarbeiter von Atomkraftwerken auf unserem Blog. Wir haben aber gute Argumente für unsere Einschätzungen und Meinungen, da gehen wir gerne in Diskussionen.

5. Was war denn ihre erfolgreichste Aktion auf Facebook?

Für uns ist Facebook ein wichtiger Ort, wo wir mit unseren Unterstützern und Fans in den Dialog treten. Daher messen wir den Erfolg u.a. daran, wie viele Menschen wir mit unserer Nachricht oder Aktion erreichen. Wir haben zu den Castortransporten im November 2010 viele zehntausend Menschen mit nur einer Nachricht erreicht. Innerhalb weniger Tage haben 50.000 Menschen die Greenpeace Facebook-Seite besucht. Auch als im Frühjahr das schreckliche Unglück in Fukushima begann, wurden die Einschätzungen unserer Experten zur Lage unglaublich oft gelesen und weitergeleitet.

Greenpeace Kampagnen Seite zu Nestlé

Aus Kampagnensicht war die Nestlè Kampagne sehr erfolgreich. Dort haben wir nicht nur unsere eigenen Seiten für die Kommunikation benutzt, sondern sind ganz offensiv, nach Greenpeace-Manier, auf die Seiten von Nestlé gegangen und haben dort über die Zusammenhänge von Schokoriegeln und Urwaldabholzung in Indonesien aufgeklärt. Bekanntlich fand das Nestle nicht so gut und schaltete ihre Facebook-Seite für rund eine Woche ab. Dialog war dort nicht gewünscht. Die Kampagne war innerhalb kürzester Zeit erfolgreich: Nestlé reagierte. Für diesen Erfolg spielte Facebook eine sehr wichtige Rolle.

6. Greenpeace ist nicht nur in Deutschland aktiv. Wie koordinieren Sie ihre Aktivitäten international?

Wir sind in rund 30 Ländern aktiv, dass bedeutet viele interne Kommunikation und Diskussionen. Wir sind aber sehr gut vernetzt und haben regelmäßige internationale Videokonferenzen. Und auf internationalen Aktionen trifft man sich manchmal auch ganz spontan wieder.

7. Wo wir bei koordinierten Aktivitäten sind. Welche anderen Social Media Aktivitäten verfolgen sie und wie sind diese vernetzt?

Wir senden unsere News via Twitter. Wir posten unsere Kampagnen auf greenpeace.de aber auch auf unserer Community greenaction.de. Unsere Experten bloggen auf blog.greenpeace.de. Unsere Fotos liegen auf Flickr und unsere Videos auf YouTube. Auf Communities wie MySpace oder StudiVZ sind wir auch vertreten, aber anders als noch vor zwei, drei Jahren spielen sie in unserer Kommunikation keine Rolle mehr. Wir nutzen viele freie Module wie z.B. Issuu.com. Dort haben wir einige Online-Magazine veröffentlicht. Auf Mister-Wong.de findet man unsere Informationen gut sortiert und aufbereitet. Aktuell beobachten wir die Entwicklung von Google+ und werden dann entscheiden ob und wie wir dort präsent sein werden. Im nächsten Jahr steht der Relaunch von greenpeace.de an. Dann werden wir alle Kanäle noch besser miteinander vernetzen.

8. Für viele Unternehmen ist es sehr wichtig die Kosten / Nutzen richtig abzuschätzen. Darf man Fragen wieviel Greenpeace hier investiert. Werden die vielen Elemente freiwillig realisiert oder gibt es schon Vollzeitstellen im Hause?

Wir haben in den letzten Jahren viel in die Social Media Kommunikation investiert. Vor allem Zeit ist die entscheidende Ressource, wenn man es mit der dialogischen Kommunikation ernst meint. Wir haben vor rund zwei Jahren eine eigene Community www.greenaction.de entwickelt. Die Community ist eine offene Kampagnenplattform und erlaubt es jeder Initiative, NGO oder Einzelperson eine Kampagne zu starten und um Unterstützung zu werben. Für die Betreuung haben wir eine Communitymanagerin. Eine Redakteurin zeichnet sich für die Kommunikation auf greenpeace.de verantwortlich. Und zwei Online-Redakteurinen kommunizieren auf den Social Media Kanälen. Insgesamt haben wir dafür also dreieinhalb Stellen. Bei großen Kampagnen holen wir uns meistens noch eine Person als Unterstützung. Wir haben täglich eine Redaktionssitzung, wo wir unsere Inhalte und die dazugehörigen Kanälen besprechen und entwickeln.

9. Bei jedem Aufwand der investiert wird ist natürlich ein ROI wichtig. Messen Sie diesen, oder gibt es einen solchen Wert in dem Sinne nicht für Greenpeace?

VW - Die dunkle Seite - Greenpeace

Wir freuen uns über die steigenden Besuche unserer Facebook-Seite und die steigende Zahl an Unterstützern, Fans und Followern auf den einzelnen Social Media Kanälen. Das ist für uns ein guter Gradmesser, ob unsere Kommunikation dort ankommt. Und wenn wir eine breite Unterstützung für unsere Online-Kampagnen bekommen, wie gerade aktuell bei der VW-Kampagne, dann spornt uns das mächtig an. Die Kampagne von Greenpeace U.K. zeigt die dunkle Seite von Volkswagen und ist eine Persiflage auf die VW-Werbung mit Darth Vader von Star Wars. Das ganze Spektakel ist zu sehen und zu erleben unter: www.vwdarkside.com.

10. Danke für das umfangreiche Interview. Ein paar letzten Worte, oder ein bisschen Eigenwerbung?

Wir freuen uns über jeden Besucher und Fans auf facebook.com/greenpeace.de oder auf Mitmacher bei greenaction.de und über die vielen guten Tipps auf eurem Blog, damit wir jeden Tag facebook ein bisschen mehr verstehen (weil uns manchmal facebook mit seinen Updates durchaus auch nervt :-)).

 

Philipp Roth
Philipp Rothhttps://www.linkedin.com/in/philipproth/
Philipp war einer der Gründer von AllFacebook.de und hat sich sich 2021 von AllFacebook getrennt. Er ist diesem Blog als Gastautor treu geblieben. Durch über 10 Jahre Erfahrung ist einer der bekanntesten Experten zum Thema Social Media Marketing, berät Unternehmen, organisiert Workshops, hält Vorträge und realisiert viele der heute sehr erfolgreichen Auftritte auf Facebook, Instagram, TikTok, WhatsApp und LinkedIn.

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