Wann haften Seitenbetreiber für die Beiträge ihrer Fans? – Rechtliche Stolperfallen im Facebook Marketing Teil 20

Mit dem Beitrag Nr. 20 nähern wir uns langsam dem Abschluss der Beitragsserie und werden uns nunmehr fremden Rechtsverstößen widmen. Es wird um die Haftung für fremde Beiträge gehen, die verlinkt, geteilt oder durch Seitenbesucher erstellt werden.

Beginnen möchte ich mit dem Letzteren und werde Ihnen nun die Grundlagen der Haftung für Nutzerbeiträge, wie Kommentare, Postings, Bilderuploads oder Gewinnspielbeiträge, erläutern. Das Grundprinzip wird Sie wahrscheinlich zuerst überraschen.

Das Grundprinzip der Haftung für Nutzerbeiträge

Das Grundprinzip der Haftung für Nutzerbeiträge ergibt sich aus dem § 10 Telemediengesetz (TMG) und lautet: „Anbieter von Facebook-Seiten haften nicht für fremde Inhalte„.

Doch wie so oft im Recht, stehen hinter einem einfachen Grundsatz viele Feinheiten und Ausnahmen, die Sie kennen sollten. Dazu gehört zuerst die Frage: „Was sind überhaupt fremde Inhalte?“

Welche Inhalte sind „fremd“?

Inhalte sind fremd, wenn sie weder von Ihnen, noch Ihrem Mitarbeiter oder sonstigen Beauftragten, wie z. B. einer Werbeagentur, erstellt worden sind. Das ist noch einleuchtend.

Schwieriger wird es mit Inhalten, die Sie sich „zu eigen gemacht haben“. Was das genau bedeutet, steht nicht im Gesetz, sondern wird durch Gerichte anhand der Umstände festgelegt. Es kommt also auf den Einzelfall an. Jedoch können Sie sich an diesen Punkten orientieren:

  • Redaktionell, d. h. „per Hand“ ausgewählte Inhalte sind nicht fremd – Wenn Sie z. B. ein Gewinnspiel veranstalten und die Zusendungen der Nutzer selbst hochladen, so sind diese Ihnen nicht fremd. Denn mit deren Auswahl machen Sie sich die Zusendungen zu eigen. Hätten die Nutzer die Beiträge dagegen selbst hochgeladen, würden diese dagegen fremd bleiben.
  • Wirtschaftliche Verwertung – Wenn Sie sich z. B. in den Nutzungsbedingungen eines Gewinnspiels vorbehalten, die Beiträge der Nutzer für eigene wirtschaftliche Zwecke verwerten zu dürfen (d. h. ohne Bezug zu dem Gewinnspiel), dann machen Sie sich die Beiträge zu eigen.
  • Fehlende Erkennbarkeit der Fremdheit – Fremde Beiträge müssen als solche erkennbar sein. Das heißt, der Name der Nutzer, die sie erstellt haben, sollte immer deutlich platziert sein. Verzichten Sie daher auch darauf, ein eigenes Logo auf Bildern der Nutzer anzubringen (das gilt zumindest für grafisch in die Bilder kopierte Logos, Copyrighthinweise, etc.).

Haben Sie die obigen Regeln beachtet, sind Sie schon einen Schritt von der Haftung entfernt. Aber auch fremde Inhalte können zur Haftung führen, wenn Sie Ihre Prüfungspflichten verletzt haben.

Bestehen Prüfungspflichten für fremde Inhalte?

Liest man das Gesetz, sind in dessen Wortlaut keine Prüfungspflichten für fremde Inhalte erkennbar. Dennoch haben auch hier die Gerichte Prüfungspflichten für die folgenden Fälle entwickelt:

  • Herausgeforderte Rechtsverstöße – Wenn Sie z. B. eine politische oder religiöse Brandrede auf Ihrer Facebook-Seite veröffentlichen, bei der Sie davon ausgehen müssen, dass sie extreme Personen anziehen oder extreme Reaktionen hervorrufen wird, sollten Sie die Kommentare ständig im Auge behalten.
  • Schlechte Erfahrungen – Wenn Sie einen Beitrag veröffentlicht haben und bereits schon einige Kommentare wegen Rechtsverstößen löschen mussten, müssen Sie auch die Folgekommentare im Auge behalten und notfalls löschen.
  • Mitgeteilte Rechtsverstöße – Wenn Sie eine Person oder ein Unternehmen auf Rechtsverstöße hingewiesen hat (oder sogar abgemahnt hat), müssen Sie im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen dafür sorgen, dass diese Rechtsverstöße nicht erneut stattfinden.

Noch mehr als bei der Frage der Zueigenmachung, handelt es sich hier um Indizien, die je nach deren Schwere und Zusammentreffen den Grad der Prüfungspflicht bestimmen. Sie merken schon, diese Prüfungspflicht ist sehr schwer einzuschätzen und ich kann Ihnen lediglich empfehlen, sie mit gesundem Menschenverstand zu beurteilen. Greifen Sie dabei vor allem zu den folgenden Maßnahmen:

  • Blocken oder verwarnen Sie Nutzer, die sich rechtswidrig verhalten haben.
  • Löschen oder verbergen Sie Beiträge, die Ihrer Ansicht nach rechtswidrig sind.
  • Filtern Sie Namen und Begriffe, die unerwünscht oder Gegenstand von Rechtsverstößen sind.

Das Gute ist: diese Prüfungspflichten entstehen selten und meistens in Extremsituationen, z. B. wenn Ihre Facebook-Seite gerade das Opfer eines Shitstorms wird. Darüber hinaus müssen Sie erst ab Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Beiträge reagieren.

In den Einstellungen Ihrer Facebook-Seite finden Sie Möglichkeiten, unerwünschte Inhalte zu filtern. Machen Sie von ihnen Gebrauch um insbesondere Wiederholungen von Rechtsverstößen zu vermeiden.
In den Einstellungen Ihrer Facebook-Seite finden Sie Möglichkeiten, unerwünschte Inhalte zu filtern. Machen Sie von ihnen Gebrauch um insbesondere Wiederholungen von Rechtsverstößen zu vermeiden.

Wann liegt Kenntnis der Rechtswidrigkeit von Inhalten vor?

Wenn Sie sich einen Beitrag nicht zu Eigen gemacht haben und Sie auch keine Prüfungspflicht trifft, haften Sie erst ab Kenntnis der Rechtswidrigkeit eines Nutzerbeitrags. Oder um es juristisch praktischer zu formulieren, ab der nachweisbaren Kenntnis.

Das heißt, wenn Sie jemand in Haftung wegen fremder Inhalte nehmen will, muss Ihnen nachgewiesen werden, dass Sie sowohl den Inhalt, als auch dessen Rechtswidrigkeit kannten.

Die Kenntnis des Inhalts ist in den folgenden Fällen nachweisbar:

  • Ihre Kommentare oder Likes zu den rechtswidrigen Beiträgen.
  • Einsatz externer Dashboards für die Fanseitenbetreuung, (spricht für die Kenntnis der Nutzerinhalte).
  • Inkenntnissetzung durch E-Mails/Schreiben von Rechteinhabern.

Aber neben der Kenntnis des Inhaltes muss man Ihnen auch die Kenntnis der Rechtswidrigkeit nachweisen. Das ist, außer im Fall der Inkenntnissetzung über Rechtsverstöße, schon schwieriger. Ich verdeutliche es anhand dieses Beispiels:

  • Der Nutzer postet ein urheberrechtlich geschütztes Foto ohne Einwilligung der Rechteinhaber – Urheberrechtsverstöße können Sie grundsätzlich nicht erkennen, da Sie kaum wissen können, wie die Rechtelage zwischen dem Urheber und dem Nutzer aussieht.
  • Der Nutzer postet die unwahre Tatsache „Das Unternehmen X lässt Waren zu Dumpinglöhnen herstellen“ – Auch unwahre Tatsachenbehauptungen können Sie grundsätzlich nicht erkennen und haften nicht für sie.
  • Der Nutzer postet eine Beleidigung und bezeichnet jemanden z. B. als „Verbrecher und Vollidioten“ – In diesem Fall werden Sie schlecht sagen können, dass Sie die Rechtswidrigkeit der Beleidigung nicht erkannt haben. D. h. wenn Sie z. B. unter den Beitrag kommentieren „Das stimmt nicht, unterlassen Sie solche Aussagen demnächst“, dann ist es zwar gut gemeint, bringt aber eine Übernahme der Haftung mit sich. Löschen/verbergen Sie den Beitrag lieber oder nehmen zu ihm keine Stellung.

Wenn Sie doch Kenntnis von einem rechtswidrigen Inhalt haben, müssen Sie ihn unverzüglich löschen. Aber wie schnell ist „unverzüglich“?

Sie haften für Nutzerbeiträge erst ab Kenntnis der Rechtswidrigkeit. Bei Bildern können Sie diese Kenntnis von sich aus kaum haben, so dass Bildbeiträge der Nutzer weniger Risiko mit sich bringen als oft behauptet.
Sie haften für Nutzerbeiträge erst ab Kenntnis der Rechtswidrigkeit. Bei Bildern können Sie diese Kenntnis von sich aus kaum haben, sodass Bildbeiträge der Nutzer weniger Risiko mit sich bringen als oft behauptet.

Was bedeutetet die Pflicht zur unverzüglichen Löschung?

Wenn Sie einen Nutzerbeitrag trotz Kenntnis einer Rechtswidrigkeit nicht gelöscht haben, haften Sie für ihn so, als ob es Ihr eigener Beitrag wäre.

Unverzüglich bedeutet, dass Sie ihn sofort löschen müssen, außer Sie können Gründe vorbringen, die gegen eine sofortige Löschung sprechen. Das können z. B. sein:

  • Die Beschwerde eines Rechteinhabers war nicht konkret genug und Sie müssen rückfragen, welchen Beitrag er meinte.
  • Es liegt ein Wochenende dazwischen.
  • Sie müssen noch mit Ihrem Rechtsanwalt Rücksprache halten.
  • Die Beschwerde erscheint unberechtigt und Sie möchten den Nutzer, der den Beitrag verfasst hat, dazu noch befragen.

Auch hier müssen Sie situationsgerecht entscheiden und dabei auch die Art des Rechtsverstoßes berücksichtigen. So sollten Sie eine Beleidigung innerhalb von ca. 2 Werktagen entfernen, bei einem Urheberrechtsverstoß können auch 5 Werktage noch angemessen sein. Sind Sie sich nicht sicher, dann verbergen Sie den Beitrag zuerst und prüfen dann weiter.

Aber Achtung: Antworten Sie denjenigen, die sich beschwert haben, nicht, dass Sie den Beitrag vorerst verborgen haben, um die Frist zu wahren, es sich aber noch überlegen könnten. Der Rechteinhaber hat einen Anspruch auf die vollständige Entfernung des Beitrags innerhalb der Frist (natürlich nur, wenn er im Recht ist).

Des Weiteren ist es mit der Löschung noch nicht getan. Sie müssen dafür sorgen, dass der Verstoß nicht erneut passiert.

Wenn Sie eine Abmahnung wegen eines Nutzerbeitrags erhalten haben, obwohl Sie für diesen nicht haften, dürfen Sie die Abmahnung zurückweisen. Jedoch setzt Sie eine solche Abmahnung zugleich in Kenntnis über den Rechtsverstoß, so dass Sie diesen unverzüglich beseitigen sollten. Bevor Sie eine Abmahnung zurückweisen, sollten Sie jedoch zur Sicherheit mit einem Rechtsanwalt Rücksprache halten.
Wenn Sie eine Abmahnung wegen eines Nutzerbeitrags erhalten haben, obwohl Sie für diesen nicht haften, dürfen Sie die Abmahnung zurückweisen. Jedoch setzt Sie eine solche Abmahnung zugleich in Kenntnis über den Rechtsverstoß, sodass Sie diesen unverzüglich beseitigen sollten. Bevor Sie eine Abmahnung zurückweisen, sollten Sie jedoch zur Sicherheit mit einem Rechtsanwalt Rücksprache halten.

Was muss getan werden, um Verstöße gleicher Art zu verhindern?

Nachdem Sie von einem Verstoß Kenntnis erlangt haben, müssen Sie alles Mögliche und Ihnen Zumutbare tun, um eine Wiederholung zu verhindern. An dieser Stelle schließt sich der Kreis, denn diese „Prüfungspflicht“ haben wir schon oben im Teil kennengelernt. Das heißt, Sie müssen den Nutzer blocken/verwarnen und die Seiten-Filter einsetzen.

Fazit und nächster Teil

Ich hoffe, ich habe Ihnen den Glauben an den eingangs genannten Grundsatz nicht genommen. Er gilt weiterhin, Sie haften grundsätzlich nicht für Nutzerbeiträge. Die danach genannten Fälle, wie die Zueigenmachung von Nutzerbeiträgen, Kenntnis von Rechtsverstößen und die Pflicht, erneute Rechtsverstöße zu vermeiden, sind Ausnahmen. Deren Kenntnis wird Ihnen jedoch helfen, die Haftung auch in Krisenfällen zu vermeiden und unangebrachte Abmahnungen zu erkennen.

Ein solcher Krisenfall tritt übrigens dann ein, wenn Sie einem Shitstorm begegnen und sich sehr zeitnah zwischen potenziell rechtswidrigen Beiträgen und Zensurbeschwerden entscheiden müssen. Wie Sie auch diese Situation meistern, erkläre ich Ihnen dann im nächsten Beitrag.

Über Themenvorschläge und Fragen, die ich berücksichtigen sollte, freue ich mich auf meiner Facebook-Seite oder per Twitter.

Weitere Themen dieser Serie:

  1. Einleitung: Rechtliche Stolperfallen beim Facebook Marketing (KW 4 / 2014)
  2. Registrierung – Persönliche Chronik oder Facebook-Seite (KW 5 / 2014)
  3. Die Wahl des Konto- & Seitennamens (KW 6 / 2014)
  4. Das Impressum (KW 7 / 2014)
  5. Datenschutzerklärung, Disclaimer & Netiquetten (KW 8 / 2014)
  6. Nutzung von Bildern (KW 9 / 2014)
  7. Nutzung von Bildern 2 (KW 11 / 2014)
  8. Facebooks IP-Lizenz, Stockbilder, Sharing und Vorschaubilder (KW 12 / 2014)
  9. Grundlagen der Nutzung von fremden Texten (KW 16 / 2014)
  10. Sharing von Texten, Leistungsschutzrecht und Umgang mit Nutzerbeiträgen (KW 17 / 2016)
  11. Meinungen, üble Nachreden und Umgang mit Wettbewerbern (KW 18 / 2014)
  12. Wir sind besser als die Konkurrenz – Werbeinhalte und -Anzeigen (KW 16 / 2014)
  13. Schleichwerbung, Sponsoring und gekaufte Likes (KW 28 / 2014)
  14. Fanpage-Einladungen, Direktmarketing und Adressengenerierung (KW 32 / 2014)
  15. Gewinnspiele und Wettbewerbe (KW 34 / 2014)
  16. OVG Schleswig: Betreiber von Facebook-Seiten haften nicht für Facebooks Datenschutzverstöße (KW 36 / 2014)
  17. Custom & Lookalike Audiences vs. Datenschutz (KW 39 / 2014
  18. Custom & Lookalike Audiences from your Website (KW 41 / 2014)
  19. Anleitung für ein rechtlich sicheres Facebook Log-in (KW 47 / 2014)
  20. Haftung für Fanbeiträge
  21. Datenschutz und  Social Media Plug-ins
  22. Mitarbeiter und Social Media Guidelines

Bildquelle: Hans Jörg Nisch @ Shutterstock.com

Rechtsanwalt Dr. Thomas Schwenke
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schwenkehttps://drschwenke.de
Dr. jur. Thomas Schwenke, LL.M. (UoA), Dipl.FinWirt (FH), ist Rechtsanwalt in Berlin, berät international Unternehmen sowie Agenturen im Marketingrecht, und Datenschutzrecht, Vertragsrecht und E-Commerce, ist Datenschutzsachverständiger, zertifizierter Datenschutzbeauftragter sowie Referent, Blogger, Podcaster und Buchautor. Podcast: Rechtsbelehrung, DSGVO-Datenschutzerklärung: Datenschutz-generator.de.

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