Fake News und Community Management: Marken tragen Verantwortung!

Gastbeitrag von Steven Urry

Ein „unpolitisch“ gibt es nicht mehr. Unser Gastautor Steven Urry richtet einen Appell an alle Community Manager*innen und Marken, die auf Social-Media-Plattformen kommunizieren. Es ist Zeit aktiv Verantwortung zu übernehmen.


Diese völlig abstruse Situation: der Krieg. Das alles ist für die meisten von uns völlig neu. Eine neue Realität, der wir uns stellen müssen. Als Gesellschaft, als einzelne Menschen und als Marken. Ein „unpolitisch“ gibt es nicht mehr. Für Community Manager*innen ist das eine nie da gewesene Herausforderung.  Und sie ist nicht die erste. Zunehmender Hate Speech und vor allem im Netz kursierende Desinformationen nehmen immer mehr zu.

Desinformation Einhalt gebieten

Für Community Manager*innen ist es daher ein umso wichtigerer Auftrag, einen Teil dazu beizutragen, Desinformation entschieden entgegenzutreten und sie zu entkräften. Das Fluten von digitaler (Des-)Information hat eine neue Stufe erreicht – sowohl von offiziellen Stellen als auch von Privatpersonen. Community Manager*innen müssen einmal mehr im direkten Austausch dafür kämpfen, diesen Fehlinformationen keinen Raum zu bieten.

Hier findet ihr eine Liste von Job-Plattformen für Ukrainische Flüchtlinge:

Ein Drittel der Deutschen informiert sich über Social Media.

Eine Studie der Nachrichtenagentur Reuters hat gezeigt: 34 Prozent der Menschen in Deutschland beziehen ihre Informationen und Nachrichten via Social Media. Die Fähigkeit, differenzieren zu können, bringt aber nicht jeder mit, genauso wenig wie Medienkompetenz. Vor allem auf Social Media tummeln sich User*innen, die mit Informationen aus „erster Hand“ prahlen, Videos, die vermeintlich direkt am Ort des Geschehens gedreht wurden und die „echte Wahrheit“ zeigen, welche die Medien uns mutmaßlich vorenthalten.

Leider konsumieren viele User*innen leichtfertig und hinterfragen Quellen nicht. Komplexe Zusammenhänge werden nicht verstanden, sind zum Teil auch schwierig und nicht in ein paar Zeilen zu erklären. All diese Menschen empfangen Fehlinformationen und halten sie für wahr. Dazu gesellen sich diejenigen, die nur Überschriften lesen.

Clickbaiting ist uncool und gefährlich

Hier sei gesagt: Clickbaiting ist in der heutigen Zeit nicht nur uncool, sondern auch gefährlich. (Anmerkung: Liebe Medienhäuser, denkt bitte darüber nach!) Dann gibt es noch die User*innen, die vermeintlich seriösen „Quellen“ folgen, wie RT Deutsch oder der russischen Botschaft. Das sind offizielle Stellen, die bewusst Desinformationen in die Welt hinaustragen. Die junge Generation muss sich zum ersten Mal mit dem Thema „Krieg“ aktiv auseinandersetzen. Sie werden dabei von allen Seiten mit Informationen konfrontiert, die schwer einzuordnen sind.

Unternehmen, die auf Social Media werben, müssen mehr in die Pflicht genommen werden. Ohne Wenn und Aber.

Die Kritik an Unternehmen und Marken wächst. Sie müssen sich den Vorwürfen von „Russland Bashing“ stellen. Vergleiche mit dem Holocaust sind nicht selten. Neben „So fing der Holocaust an“ und „Kauft nicht bei Juden“, lesen wir als Community Manager*innen aktuell in den Kommentarspalten: „Ihr wollt also, dass wir keine russischen Produkte einkaufen? Ihr wisst, was vor 80 Jahren so anfing?“.

Der Hass hat eine neue Stufe erreicht

Diese Sätze stammen nicht von Fake Profilen oder Bots. Sie stammen von Menschen. Menschen, die auf Social Media dadurch eine (leider) steigende Sichtbarkeit gewinnen. Diese Menschen waren genau diejenigen, die zuvor der felsenfesten Überzeugung waren, dass die Corona-Pandemie eine „Lüge der Weltelite“ sei. Dachten wir, dass die schonungslose Hassrede bei Corona nicht mehr zu toppen sei? Der Krieg hat uns eines Besseren belehrt. Der Hass hat eine neue Stufe erreicht.

In diesen Zeiten haben es Community Manager*innen nicht leicht. Jetzt geht es darum, Falschmeldungen klarzustellen oder halbe Wahrheiten richtigzustellen.

Kritik, Beleidigung und Häme

Ein Paradebeispiel ist die Spende der Babynahrung von ALDI Nord an die Ukraine. Es hagelte Kritik, Beleidigung und Häme. Es kamen Vorwürfe, Deutschland würde wieder die Welt retten wollen und „die deutschen Babys“ müssten verhungern.

Quelle: Steven Urry
Quelle: Steven Urry
Quelle: Steven Urry

Die Wahrheit dahinter? ALDI Nord hatte zuvor bereits beschlossen, die Babynahrung vollständig auszulisten. Die Restbestände in den Filialen wurden also gespendet. Was die Community Manager*innen hier beitragen konnten? Freundlich darauf hinweisen, dass ALDI nicht die einzige Bezugsquelle für Babynahrung in Deutschland ist. Hass und Häme löschen, Beiträge melden. Sachliche Kritik gekonnt entkräften. Gott sei Dank gab es aber auch viel Lob für diese Aktion!

Wo ALDI Nord vorbildliches Community Management geleistet hat, gibt es auch Unternehmen, die ihre Kommentarspalten auch im Jahr 2022 ignorieren. Hass, Hetze und Wut fluten die Beiträge und vielen ist es wohl völlig „wurscht“.

Wieso? Das ist eine Frage, die sich leider nur in Teilen beantworten lässt. Fehlende Ressourcen, vielleicht auch ein grundsätzliches Missverständnis von Social Media? Man weiß es nicht. Vor allem die Social-Media-Aktivitäten vieler Medienhäuser scheinen noch nicht einmal einem Monitoring zu unterliegen, wie die nachfolgenden Kommentare unter der Berichterstattung zum Ukraine-Krieg zeigen.

Entschiedenes Gegensteuern durch Monitoring und Community Management

Die Gefahr, dass leichtgläubige Menschen die Kommentare lesen und für wahr halten, ist relativ groß. Ein entschiedenes Gegensteuern durch Monitoring und Community Management verhindert hier das Verbreiten solcher Fehlinformationen.

Was aber auf der Hand liegt: Diese Unternehmen und Marken tragen eine direkte Mitschuld an der Verbreitung von Desinformationen in den sozialen Netzwerken. Klicks, Views und Verweildauer auf der eigenen Homepage werden als wichtiger betrachtet. Das gibt schließlich Geld. Dass purer Hass in den Kommentarspalten aber weder beachtet und beantwortet wird, noch verborgen oder gelöscht, ist eine traurig und zugleich wütend machende Art, die man nicht verstehen kann.

Haltung zeigen ist ein grundlegendes Verständnis von Freiheit und Demokratie. Und kein Trend.

Ich weiß, viele werden meine Meinung nicht teilen. Aber ich stehe mit vollster Überzeugung dahinter, wenn ich sage, dass eine Vielzahl an Marken (wie oben erwähnt) eine entscheidende Mitschuld daran tragen, wenn Falschinformationen im Netz ihren Lauf nehmen und sich ungehindert verbreiten können.

Jeder – vom Vorstand bis hin zum Spezialist in der Marketingabteilung – muss Haltung zeigen und eine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Auch wenn für viele das Jahr 2022 (und auch 2021) auf einmal das Thema „Haltung“ in der Marketingplanung steht, weil „das gerade voll im Trend ist“, kann ich nur sagen: Nein, es ist kein Trend. Es ist die Verpflichtung eines jeden, für die Demokratie, für Frieden und für die Freiheit einzustehen.

Wer das nicht versteht und weiterhin Content spielt, weil es trendig ist, hat Marketing nicht verstanden. Und wird es vermutlich auch nie tun.

* Hinweis: Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag. Es besteht keine bezahlte Kooperation.

Steven Urry
Steven Urry
Steven ist Managing Partner bei ALONDRA SOCIAL. Er begann seine Karriere 2014 bei ALDI SÜD und wurde 2017 zum Teamleiter Kundenservice befördert, wo er ein Inhouse Community Management Team aufbaute. Seit 2021 leitet er das Community Management für verschiedene Marken in Deutschland und hat umfassende Expertise in Markenbildung und Krisenmanagement entwickelt.

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