– Gastbeitrag von Peter Schlass –
Der polemische Aufruf „Traut euch! Warum Bürger auf den Kontakt mit Behörden und kommunalen Unternehmen warten.“ ist nicht ungehört geblieben. Positive Reaktionen kamen vor allem aus Behörden, die teils schon seit Jahren auf Facebook und Twitter aktiv sind. Viele sind hier auf dem richtigen Weg!
Wie oben erwähnter Artikel aufgezeigt, ist öffentlich-rechtliche Kommunikation gegenüber reinen Wirtschaftsunternehmen mit einigen Stolperfallen versehen. Budget, Personal und Datenschutz sind die Faktoren, die im planerischen Fokus stehen, sollte sich ein öffentlich-rechtlicher Dienstleister oder ein kommunales Unternehmen dafür entscheiden, Social-Media anzugehen und aktiv zu betrieben.
Vorher muss allerdings die Entscheidung getroffen werden, ob und warum das Projekt gestartet wird. Hier sind wir noch fernab von den Gedanken an eine Kommunikationsstrategie und damit verbundenen Zielsetzungen. Kommunikation ist immer auch ein emotionales Thema. In Zeiten, in denen eine laute Masse an Menschen die Möglichkeiten des Netzes nutzt, jede noch so abstruse Theorie völlig faktenresistent öffentlich diskutieren zu wollen, ist es beinahe verständlich, sich gut zu überlegen, ob man dieses Fass öffnen möchte.
Alu-Hüte
Jetzt ist es nicht so, dass sich jede Behörde für Verschwörungstheorien aller Art eignet. Die Seite der 30.000 Einwohner Stadt sollte sich über Shitstorms durch unpopuläre Ratsentscheidungen eher Gedanken machen, als eine Bundesbehörde, die plötzlich allgemeinverständlich argumentieren muss, dass Deutschland ein souveräner Staat und eben keine durch einen Geheimbund geführte GmbH ist. Das Umweltbundesamt (UBA) hat Alu-Hüte schon provoziert und ist proaktiv auf die beliebte Chemtrail-Verschwörung eingegangen, nachdem Bürgeranfragen hierzu auf dem klassischen Weg ankamen und in den Kommentaren immer wieder darauf hingewiesen wurde. 250 Beitragsteilungen und 590 Kommentare sprechen für eine beeindruckende virale Reichweite einer eher durchschnittlich bekannten Behörde. Bei den genannten Zahlen handelt es sich übrigens um den Re-Post, da der Ursprungsbeitrag verschwunden ist. Das UBA hat es verstanden, Shitstorms auch als Chance zu sehen.
Rückkanalverbot
Eines der schönsten Worte der #AFBMC in Berlin im Politics- and Government-Track war „Rückkanalverbot“. Für den Social-Media-Experten gewöhnungsbedürftig, für den Beamten Alltag. Der unerfahrene Behördenleiter denkt sich vielleicht, Facebook wäre toll, aber für Shitstorms, Feedback und Dialog haben wir nicht die Mittel. Außerdem sind die Fragen zu Personal, Budget und Datenschutz nicht geklärt. Das Ergebnis: Wir machen was, aber reagieren nicht. Facebook und Rückkanalverbot ist in etwa so sinnvoll wie ein elektronischer Personalausweis, mit dem man sich online nicht flächendeckend ausweisen kann. Man kann es also gleich lassen. Auch der Vorteil, der oberflächlich auf der Hand liegt, sich eben nicht mit Alu-Hüten, Wutbürgern und Dauernörglern auseinandersetzen zu müssen, aber dennoch etwas zu tun, wird nur von kurzer Dauer sein. Schnell stehen im besten Fall Vorwürfe mangelnder Kompetenz im Raum (– was ja auch stimmt) oder aber das Wort Zensur fällt. Dann kommt man in Argumentationsschwierigkeiten, ohne argumentiert zu haben.
Transparente Demokratie
Transparenz ist der Kern aller öffentlich-rechtlichen Kommunikation. Neben der Fan-Generierung und Reichweitensteigerung aus verschiedensten Gründen wie Bürgerservice, Tourismusförderung, nicht repräsentativer Meinungsforschung oder klassischer Marketing-Ziele sollte der Ansatz aller öffentlichen Einrichtungen sein, den Bürger zu informieren. Informationen sind in die Kanäle zu bringen, die der Bürger nutzt und versteht. Dies sind aber nicht der Bundesanzeiger, das Bundesgesetzblatt oder verschiedene Amtsblätter. Gegen Politikverdrossenheit anzugehen und Verständnis für das Handeln einer Organisation zu erzeugen, schafft man nicht mit ewig langen, komplizierten Veröffentlichungen, sondern mit kurzer, knapper Information an den Orten, wo sich der Bürger aufhält. Der Aggregator unserer Zeit sind die sozialen Medien. Man kann soweit gehen, dass Gesetzesänderungen auf Bundes- und Landesebene, Bauvorhaben in Kommunen und die Preisgestaltung öffentlicher Verkehrsmittel und Stadtwerke keine kommunikative Einbahnstraße, sondern klassische Change-Management-Projekte sind. Wenn der Bürger ernstgenommen wird, so skurril seine Meinung manchmal scheint, er seine Meinung öffentlich kundtun kann, ohne eine Bürgerbewegung gründen oder eine Bürgerversammlung besuchen zu müssen, funktionieren demokratische Prozesse und einer „Die-da-oben“-Argumentation kann entgegengewirkt werden. Soziale Netze als Teil dieses Change-Management-Prozesses zu erkennen und einzusetzen, sollte Priorität aller staatlichen Organisationen sein. Der viel zitierte „Tue Gutes und rede darüber“-Ansatz ist ebenfalls heranzuziehen.
Ist ein öffentlich-rechtlicher Auftraggeber von den Chancen der Kommunikation in sozialen Netzen überzeugt, stehen Social-Media-Experten je nach Organisationsstruktur vor verschiedenen Herausforderungen. Krisenkommunikation, PR und klassisches Marketing sind nur einige Kompetenzfelder, die zu berücksichtigen sind. Als externer Experte oder beauftragte Agentur kommen weitere Felder hinzu, die gegebenenfalls noch nie unternehmensintern ein Thema gewesen sind: Landesdatenschutzgesetze, die neben dem Bundesdatenschutzgesetz für kommunale Träger durchaus Überraschungen bereithalten können, Vergaberichtlinien der Auftraggeber sowie das Vergaberecht selbst, um nur einige zu nennen. Punkte, die in weiteren Teilen dieser Reihe behandelt werden.
Über den Autor:
Peter Schlass arbeitet in Berlin als Marketing Manager bei der VKU Service GmbH, einer Tochter des Verbands kommunaler Unternehmen. Er kennt die Schwierigkeiten, die öffentliche Einrichtungen beim Start ihrer Social Media-Kampagnen haben und spricht gerne mit euch darüber.
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