Gastbeitrag von Petra Winkler
Sie haben schon von Storytelling und der Heldenreise gehört? Und fragen sich, wie dieses Format für Facebook passen kann? Ganz ehrlich? Eigentlich gar nicht. Aber es gibt Alternativen …
Zunächst für diejenigen, die sich unter Storytelling und der Heldenreise nicht viel vorstellen können, ein paar erklärende Worte. Storytelling steht ja ganz allgemein für das Erzählen von Geschichten, um auf sich und sein Unternehmen, Produkte und Leistungen aufmerksam zu machen. Wer die gängigen Publikationen über Storytelling durchforstet, stößt immer wieder auf ein besonderes Format: die Heldenreise. Und die hat es in sich – denn als ein abendfüllendes Format passt sie eher weniger zu den eher knappen Inhalten auf Facebook (und anderen Social-Media-Kanälen).
Die Heldenreise von Joseph Campbell zu Christopher Vogler
Der Mythenforscher Joseph Campbell hatte in den 1940er Jahren entdeckt, dass in nahezu allen mythologischen Erzählungen der Held eine Reise antritt, auf der er sich bewähren muss gegenüber Feinden oder Versuchungen. Für ihn war spannend, dass sich Grundstruktur und Ablauf dieser Geschichten stark ähnelten, sogar wenn die jeweiligen Völker weit über Raum und Zeit entfernt lebten, und er schlussfolgerte daraus, dass es eine Art Ur-Mythos oder Ur-Geschichte für die ganze Menschheit gäbe.
Je nachdem, wie die einzelnen Abschnitte der Heldenreise voneinander unterschieden werden, umfasst die Heldenreise bei Joseph Campbell fast 20 Stationen und nicht alle Abschnitte (wie zum Beispiel bei „Versöhnung mit dem Vater“) passen gut in die moderne Erzählwelt. So kam es, dass Christopher Vogler in den 1990er Jahren die Heldenreise für Hollywood-Drehbücher straffte und auf 12 Stationen verkürzte.
Vergesst die Heldenreise!
Aber selbst mit „nur“ 12 Stationen entwickelt sich daraus schnell ein Kinofilm von eineinhalb Stunden Dauer (oder mehr). Daher ist auch die verkürzte Heldenreise wenig geeignet für Facebook und die anderen Kanäle unserer Medienwelt, in der alles in kleinen und leicht konsumierbaren Häppchen aufbereitet sein muss.
Klar, ganz theoretisch könnte man aus 12 Stationen eine hübsche Geschichte oder einen Mini-Film machen, der unterhaltsam und vergnüglich die verpackte Botschaft übermittelt. Aber für den Alltag der meisten kleineren Unternehmen ist das viel zu komplex. Also: vergessen Sie die Heldenreise, Storytelling geht auch anders.
Storytelling geht auch einfacher
Fangen wir bei der grundlegenden Frage an: Was ist eigentlich eine Geschichte? Es braucht bestimmte Elemente oder Bausteine wie den Helden, vielleicht einen mächtigen Gegenspieler, dazu noch (ganz wichtig!) einen Konflikt sowie eine Botschaft, die eher unscheinbar hinter dem Konflikt versteckt ist. Das ist quasi die Basis.
Je nachdem wie ausführlich die Geschichte werden darf oder soll, können weitere Elemente hinzukommen: vielleicht noch weitere Figuren, vielleicht entwickeln sich mehrere Handlungsstränge mit Haupt- und Nebenhandlungen, vielleicht wird die Zeitspanne oder die Umgebung näher beschrieben, vielleicht werden noch Requisiten, Hilfsmittel oder Leitmotive in die Erzählung eingebaut. Das wären zum Basisrezept noch zusätzliche Appetithappen – aber ein Zuviel davon wird bei einem unaufmerksamen oder ungeduldigen Publikum nur goutiert, wenn die Geschichte mit einem Spannungsbogen erzählt wird, beispielsweise indem Andeutungen oder halbe Vorhersagen getroffen werden, die neugierig machen, wie es weitergeht.
Erzählmodelle als Mustervorlagen
Aus diesen Bausteinen wird eine Handlung entwickelt, die sich ganz unterschiedlich entfalten kann. Außer der Heldenreise gibt es noch zahlreiche weitere Erzählmodelle, die als Muster dienen können: Geradezu musterhaft sind der 3-teilige Aufbau (mit Einleitung, Hauptteil und Schluss) oder – wie im klassischen Drama – der Aufbau in 5 Akten. Die Fachliteratur empfiehlt neben der Heldenreise häufig auch die „7 Plots“-Erzählmodelle.
All diese Modelle sind jedoch typischerweise recht umfangreich und damit für Facebook weniger brauchbar. Das „Story Spine“-Muster aus den Pixar Studios ist zwar ebenfalls für Hollywood-Filme entwickelt worden, aber durch die knappe Form lassen sich nach diesem Muster auch recht kurze Geschichten erzählen. Und schließlich gibt es eine Handvoll weiterer Erzählmodelle wie zum Beispiel Simon Sineks „Golden Circle“, die als Mustervorlage für kurze Geschichten geeignet sind.
Ganz kurz und knapp: Mikrogeschichten
Kurzgeschichten lassen sich noch weiter verkürzen, bis hin zu Mikrogeschichten: Denken Sie einfach an Julius Caesar und sein „Veni, vidi, vici“, eingedeutscht als „Ich kam, sah und siegte“. Diese Mikrogeschichten kommen mit nur ganz wenigen Elementen aus dem Bausteinkasten aus. Braucht es zur Heldenfigur einen Gegenspieler? Oder weitere Figuren? Oder Zeit und Ort und Requisiten? Nein, die ganzen Ausführlichkeiten dürfen hier fehlen. Im obigen Beispiel hatte Caesar natürlich einen Gegner, der besiegt worden ist, aber wer der Gegner war, bleibt völlig außen vor. Auch Truppen und Anführer werden nicht genannt. In dem Beispiel-Satz ist Caesar allein der Sieger.
Mikrogeschichten verdichten die ganze Geschichte ganz extrem auf einen einzigen Kern. Und während längere Erzählungen einen Spannungsbogen brauchen, fesseln Mikrogeschichten durch einen starken Einstieg (mit dem der Leser am narrativen Haken hängt) und ein möglichst unvermutetes Ende (der Überraschungsmoment sorgt für einen Aha-Effekt), am besten mit einem Witz oder einer Pointe.
Entgegen der gewohnten Dreiteilung mit Anfang, Mittelteil und Schluss reduziert sich eine Mikrogeschichte in zwei Teile: die Ausgangssituation und die Situation am Ende.
Wo bleibt die Botschaft?
Wichtig ist nur darauf zu achten, dass die Botschaft durch die knappe Form nicht verloren geht: der Leser oder Betrachter muss verstehen können, was ihm diese Geschichte sagen soll. Ist ein geposteter Spruch womöglich unverständlich, ein gepostetes Bild zunächst nichtssagend, mag es hilfreich sein, eine kurze Erklärung voranzustellen oder hintendran zu hängen: wieso und warum posten Sie jetzt diesen Spruch/dieses Bild, was hat das mit Ihnen und dem Leser zu tun?
Häufig sind auch Postings, bei denen es nicht um eine Botschaft geht, sondern um den reinen Unterhaltungswert. Schon bei den alten Römern wurde unterschieden in prodesse (nützen) und delectare (unterhalten). Und so finden sich auf Facebook jede Menge Beiträge, mit denen heitere, besinnliche, vergnügliche oder schenkelklopfend-witzige Inhalte veröffentlicht oder geteilt werden. Aber allzuoft haben diese Beiträge nichts mit dem Absender zu tun.
Ein gelegentliches Unterhaltungswert-Posting mag zur Kundenbindung beitragen, aber die eigenen Inhalte und Geschichten sollten darüber nicht verloren gehen. Erzählen Sie nicht nur Geschichten zu besonderen Ereignissen, sondern erzählen Sie auch aus Ihrem Alltag. Als kleines Beispiel: „Für unseren Tag der offenen Tür im Juni hatten wir heute ein erstes Arbeitstreffen, um Poster und Flyer zu erstellen – die schönen Designideen machen richtig gute Laune!“. Das ist keine große Storytelling-Geschichte mit Heldenreise und Pipapo, das ist einfach eine kleine Geschichte aus dem Alltag, die Ihnen etwas Aufmerksamkeit und Sympathiepunkte einbringen wird.
Tipps:
- Sie haben eine gute Geschichte, die ausführlicher erzählt werden müsste? Machen Sie Ihr Storytelling crossmedial, indem Sie die längere Geschichte auf Ihrer Website, in einem Blog oder in einem Videokanal publizieren und Facebook sowie andere Social-Media-Kanäle nutzen, um auf die publizierte Geschichte aufmerksam und neugierig zu machen.
- Für alltäglichere Beiträge erzählen Sie Mikrogeschichten, hier reichen zwei bis drei Sätze mit der Ausgangssituation und der kontrastierenden Situation am Ende.
- Fremdinhalte posten oder teilen ist zwar bequem, aber auf Dauer verstecken Sie sich und Ihr Angebot/Ihre Leistungen in der Unsichtbarkeit – achten Sie darauf, dass Sie genug eigene Inhalte zu abwechslungsreichen Themen posten, damit Ihre Botschaft nicht verloren geht.
Sorry, aber wer davon ausgeht, dass die Story eines Unternehmens nichts für Soziale Medien ist, hat Storytelling nicht verstanden. Es geht nur selten darum, die Story oder Heldensaga eines Unternehmens in soundsoviel Akten am Stück zu erzählen. Es geht vielmehr darum, dass man die Story eines Unternehmens immer und immer wieder erzählt, angepasst an die jeweiligen Medien. Dabei reichen Teilaspekte der Reise, so lange der Held und seine Erfolge immer wieder deutlich werden. Natürlich crossmedial angepasst, aber immer mit gemeinsamer Grundlage und Planung. Also auch in den Sozialen Medien.
Danke für diesen Beitrag. Es ist dringend notwendig, Storytelling von der Heldenreise zu entkoppeln. Das ist ein Punkt, der meine Kundinnen immer wieder verunsichert, wenn sie sich mit Storytelling beschäftigt haben und erst dann den Weg zu mir finden. Ich freue mich immer wieder über den Moment, in dem sich die Besorgnis auflöst und einem „hey, das kann ich!“ Platz macht.
Die Verknüpfung von Heldenreise und „Geschichten erzählen“ ist sehr etabliert, aber – wie im Beitrag aufgezeigt – viel zu kurz gegriffen. Was den übrigen Inhalt betrifft – da bin ich anderer Ansicht. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass Storytelling in den sozialen Medien auch in ausführlicher Form (und ja, in langen Texten) sehr gut funktioniert. Selbst für Facebook-Ads hat sich das bewährt.
Bei Facebook kommt es halt auf die Knappheit der Aussage an. Dass es der Leser sofort versteht und spannend findet.
in der Kürze liegt die Würze.