AllContent – die Content-Kolumne mit Andreas Szabó
Darf ich oder darf ich nicht? Die Musiknutzung im Social Media ist mit vielen Fragezeichen versehen. Andreas Szabó erklärt, was privat und gewerblich auf TikTok und Instagram erlaubt ist und gibt Einblicke in die Meta Sound Collection.
Regelmäßig gehen Schreckensmeldungen zu Abmahnungen bei Instagram oder TikTok durchs Web. Zuletzt traf es Influencerin Carmen “Carmushka” Kroll: Die Kölnerin erhielt eine 100.000 €-Abmahnung (Streitwert) für die kommerzielle Nutzung von Musik bei Instagram.
Was ist heiße Luft und wo ist wirklich Vorsicht geboten: unser AllSocial-Gastautor Andreas Szabó fasst in seiner neuen Content-Kolumne “AllContent mit Andreas Szabó” Informationen zusammen und gibt dir praxisnahe Tipps.
Die Basis: Social Media Musiknutzung
Generell gilt für Musik, genauso wie für Fotos und Grafiken, in Deutschland das Urheberrecht. Zudem gibt es Leistungsschutzrechte. Das heißt: Komponisten, Texter, Produzenten, Musiker, Verlage und Labels haben zunächst einmal die vollumfänglichen Rechte an ihrem Werk. Musik darf ohne Zustimmung der Urheber und ohne passende Lizenzierung NICHT im Internet und damit in Social Media veröffentlicht werden.
Privatnutzung in der Regel möglich
Für die PRIVATE Nutzung von Musik haben Meta (Facebook, Instagram) und ByteDance (TikTok) Lizenzverträge für euch mit vielen Labels und Verwertungsgesellschaften wie der GEMA in Deutschland geschlossen.
Das bedeutet, je nach Lizenzbedingungen, ist eine rein private Nutzung von Musik aus der jeweiligen Musikbibliothek (über den Musik-Sticker oder die Audio-Suche) im jeweiligen Netzwerk möglich.
- Die Lizenzbedingungen für die Musik-Nutzung bei Instagram findest du hier.
- Die Lizenzbedingungen für die Musik-Nutzung der Meta Sound Collection gibt’s hier.
- Die Lizenzbedingungen für die Musik-Nutzung bei TikTok.
- Die Lizenzbedingungen für die kommerzielle Musiknutzung bei TikTok findest du etwas versteckt über einen extra Button “Audio Library Guidelines”. (rechts auf “Audio Libary Guidelines” klicken)
Achtung: Die Lizenzen von Meta und ByteDance umfassen KEINE gewerbliche Nutzung der großen Musikbibliothek.
Das betrifft alle Formate wie…
- Reels bei Instagram und Facebook
- Stories / Story-Highlights bei Instagram und Facebook
- Foto-Postings mit Musik bei Instagram und Facebook
- TikTok-Videos/Posts mit Musik
- …und alle anderen Inhalten im Social Web, die mit Musik unterlegt werden
- Das gilt auch für “Original Sounds”, die von anderen Nutzern hochgeladen wurden
Abmahnwelle? Fünf aktuelle Beispiele
1.) 100.000 €-Abmahnung für “Carmushka”
Influencerin Carmen Kroll alias @Carmushka (+1 Mio Follower) hat eine saftige Abmahnung erhalten. Es geht um einen Streitwert in Höhe von 100.000 Euro für die gewerbliche Nutzung eines Musikstückes, erklärte Kroll. Es ging bei ihr um ein Werbevideo aus dem Jahr 2020, das nun kostenpflichtig abgemahnt wurde. Kroll berichtet dazu im “Baby Got Business”-Podcast (Link: https://open.spotify.com/episode/5IvgXHPahAQcw8vvc4Q0eS).
2.) Agenturinhaber: “Es spricht selten jemand darüber”
Auf der AllSocial-Konferenz berichtete ein Agentur-Inhaber davon, dass es auch im Agenturumfeld immer wieder Abmahnungen wegen der gewerblichen Nutzung von Musik gebe. Ihm konkret sei es einmal passiert, dass 12.000 Euro Schadensersatz fällig wurden, weil Lizenzen nicht richtig geklärt waren. Es spricht nur selten jemand darüber.
3.) Fachanwalt hat regelmäßig Unterlassungserklärungen auf dem Tisch
AllSocial-Speaker und Fachanwalt Dr. Carsten Ulbricht bestätigte, dass er regelmäßig Abmahnungen wegen der Musik-Nutzung in Social Media auf dem Tisch habe. Wichtig: Ruhe bewahren, erstmal nichts vorschnell unterschreiben, sondern einen Anwaltlichen Rat einholen.
4.) Mikro-Influencerin abgemahnt
Auch vermeintlich kleine Accounts werden abgemahnt: Zuletzt gab es den Fall einer Rezept-Mikro-Influencerin bei Instagram: “Missys Kitchen” (9.000 Follower) ist nach eigenen Angaben mit Abmahnkosten in Höhe eines Mittelklasse-Autos konfrontiert worden für die Nutzung eines Musikstückes in einem Reel.
5.) Kanzlei berichtet über Abmahnung für Indie-Titel
Die Anwaltskanzlei Weiß & Partner berichtet über eine Abmahnung bezüglich des Titels einer irischen Indie-Künstlerin, der in der Meta-Bibliothek verfügbar ist. Rechteinhaber versenden demnach Abmahnungen wegen Verstößen gegen Master- und Verlagsrechte. Zur schnellen Streitbeilegung sollen demnach 18.000 Euro gezahlt werden.
Gibt es also eine Abmahnwelle? Im Sinne davon, dass tausende Instagram-Nutzer nun parallel und wellenartig abgemahnt werden, sicher nicht. Im Sinne davon, dass Rechtsverstöße punktuell immer wieder verfolgt werden und dabei hohe Kosten entstehen können: ja.
Instagram macht Rechtsverstöße und Abmahnungen einfach
Instagram macht es sowohl Nutzern, als auch Abmahnern leicht, dass Kostenrisiken entstehen: Creator-Accounts haben meist vollen Zugriff auf die Musikbibliothek und selbst einige Business-Accounts haben durch einen Fehler (Stand Mai 2023) Zugriff auf lizenzpflichtige Musik.
Über die Suchfunktion bei Instagram können Abmahnanwälte oder Rechteinhaber sehr einfach alle Videos finden, in denen ihr Titel verwendet wird. Sobald ein gewerbliches Video dabei auftaucht, können es wenige Schritte bis zur Abmahnung sein.
Wichtigster Tipp: alte Reels mit lizenzpflichtiger Musik archivieren/löschen
Mein wichtigster Tipp an alle, die im weitesten Sinne gewerblich bei Instagram und TikTok unterwegs sind: alle Reels/Highlights archivieren oder löschen, die unlizenzierte kommerzielle Musik beinhalten. Zumindest wenn du ein Sicherheitsfanatiker bist, der kein Kostenrisiko eingehen will. Im Zweifel bieten sich einige Videos auch für einen neuen Upload an, diesmal mit lizenzfreier Musik.
Was sagt Meta zur Audionutzung?
Die Meta-Managerin für strategische Partnerschaften bei Facebook, Carsta Maria Mueller, veröffentlichte bei LinkedIn folgendes Statement:
“Es gibt hierzu aktuell keinerlei Neuigkeiten und keinerlei Änderungen. Bei kommerziellen Inhalten oder als Unternehmensprofil könnt und dürft ihr die Facebook Sound Collection verwenden. Andere Musik darf bei kommerziellen Inhalten nicht ohne gesonderte Lizenz verwendet werden.”
Die bei Instagram in Deutschland für Creator zuständige Managerin Mathilde Burnecki (@Thild.a) erläutert, ihr seien keine aktuellen Fälle von Abmahnwellen bekannt:
“Viele Beiträge und Videos wurden in den letzten Wochen geteilt, viel wurde über Abmahnwellen gesprochen (von denen mir persönlich keine bekannt sind) und Änderungen, die es angeblich auf unserer Seite gegeben hat. (…) Bedenkt dabei bitte immer: Wir können keine Einzelfälle kommentieren, da wir als Unternehmen keine Rechtsberatung geben können.”
Kommerziell, gewerblich, privat?! Wer blickt da noch durch
Wann ist ein Account kommerziell? Und was ist gewerbliche/kommerzielle Nutzung? Und darf für einen rein privaten Beitrag eines Influencers dann die komplette Musik-Bibliothek genutzt werden? Diese Frage wird dir im besten Fall dein Fachanwalt am besten erklären können, wir wollen an dieser Stelle keine Rechtsberatung geben. Es gibt von Meta-Manager*innen die Auffassung, dass private Creator-Postings mit der Musik möglich seien.
Wann ist ein Account kommerziell?
Dem gegenüber steht ein Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach ein Instagram-Account eines Influencers in seiner Gesamtheit als kommerziell betrachtet werden müsse. Wenn der Account gewerbliche Ziele verfolgt (Kooperationen bekommen, Werbung, Aufbau großer Reichweite), dann müsse man davon ausgehen, dass jeder Beitrag gewerbliche Ziele verfolgt (Reichweite vergrößern, bekannter werden, viele Likes erhalten).
Du merkst, hier wird es richtig kompliziert und hier wird dir nur ein Fachanwalt eine verlässliche Einschätzung und Risikoabwägung vorlegen können. Eine Rechtsschutzversicherung kann für Creator sinnvoll sein.
Für Unternehmen, aber auch Kleinunternehmer*innen ist sowieso klar: euer Firmenaccount dient immer eurem Geschäft, also lasst die Finger von der großen Musikbibliothek.
Kostenrisiken minimieren und gegenüber Geschäftsleitung klar benennen
Generell ist es für Social Media-Manager*innen in Unternehmen zu empfehlen, Kostenrisiken zu minimieren oder das sehr klar mit Teamleitung, juristischer Abteilung und Geschäftsführung im Vorfeld abzuklären, welche Kostenrisiken eingegangen werden dürfen/sollten.
Einig sind sich alle Expertinnen und Experten, dass für Ads/Werbung niemals lizenzierte Musik ohne entsprechende Lizenzierung eingesetzt werden sollte. Hier sind hohe 5-6-stellige Schadensersatzsummen vorstellbar.
In den Lizenzbedingungen der einzelnen Titel in der “Sound Collection” von Meta und der “Audio Libary for Commercial Use“ von Tik Tok wird klar angegeben, welche Titel auch für Werbung genutzt werden dürfen.
Musik in den Socials rechtssicher nutzen: Meta Sound Collection
Wer auf Meta gewerblich Musik nutzen will, der kann die Sound Collection nutzen, abrufbar unter: https://facebook.com/sound
Meta bietet über 12.000 Songs und Soundeffekte aus allen Genres: von Filmmusik, über Dance, HipHop bis Instrumental. Es gibt auch einige gute Soundeffekte.
Dort ist ein Download der gewünschten Titel möglich. Es wird über die jeweilige Lizenz informiert (das “i” klicken). In der Regel ist es immer notwendig, in der Caption oder im Video den Künstler und Titel anzugeben und auch den Link zum Titel.
Experten-Tipp: nur Musik aus der Sound Collection in Instagram abspeichern
Wer die Titel aus der Sound Collection auch mobil direkt in der Instagram App nutzen will für Reels, für den habe ich einen kleinen Praxis-Tipp: löscht im Bereich für die Reel-Erstellung alle bisher von euch gespeicherten Titel raus. Recherchiert in der Sound Collection passende Titel für euch. Diese könnt ihr dann in der Instagram-App über die Musiksuche finden und euch abspeichern. Damit habt ihr dort ab sofort eine Sammlung von lizenzfreier Musik, die ihr sofort einsetzen könnt.
Musik bei TikTok rechtssicher nutzen
Bei TikTok bietet sich für kommerzielle Nutzung und Ads die neue Audio Library for Commercial use an: https://ads.tiktok.com/business/creativecenter/music/pc/en
Nach TikTok-Angaben besteht die Commercial Music Library aus über einer Million lizenzfreier Sounds. Bitte hier beachten, ob der jeweilige Titel auch für Ads freigegeben ist.
Bitte beachtet: die Titel aus der Meta-Bibliothek dürfen auch nur bei Meta verwendet werden, die Titel aus der TikTok-Library nur bei TikTok.
Königsweg: Kostenpflichtige Dienste nutzen oder selbst produzieren
Kommerzielle Anbieter wie “Epidemic Sound” oder “Audiio” bieten Abos oder Life-Time-Deals zur kommerziellen Nutzung von Musik in den Socials. Diese Dienste bieten dabei auch Lizenzen für Werbung. Nur die Nutzung der Titel im Radio oder Fernsehen ist meist nicht abgedeckt.
Wer selbst fit am Mikrofon ist oder tolle Stimmen im Unternehmen hat, der kann verstärkt mit “Voice-Over” arbeiten: du spricht selbst über deine Videos. Diese Nachvertonung geht auch direkt in der TikTok- und Instagram-App. Das funktioniert für viele Formate gut und ist authentisch. Manchmal gibt es auch fitte Künstler, Bands, Produzenten im Unternehmen, die gerne Musik beisteuern. Auch freischaffende Künstler produzieren gerne auf Auftrag passende Titel
Und nicht zuletzt können Künstler, Label und Verlage angefragt werden, um Titel für kommerzielle Nutzung zu lizenzieren.’
Experten-Tipp: Die insbesondere bei TikTok beliebten Text-To-Speech-Stimmen sind nicht unbedingt für Werbung lizenziert, auch hier bitte die Nutzungsbedingungen beachten.
So lizenzierst du Musik bei den Rechteinhabern richtig
Ihr könnt für größere Projekte natürlich auch bei den Verlagen und Künstlern eine Lizenz für die Nutzung eines Musiktitels erwerben. Meist ist dann allerdings die Dauer beschränkt (beispielsweise auf ein Jahr) und es sollten vorher alle Kanäle/Formate abgeklärt sein. Wer Ansprechpartner ist für ein Musikstück, lässt sich bei der GEMA recherchieren. Unser Speaker Nicolas Gruzdov hat auf der AllSocial Marketing Conference erläutert, wie ihr Nutzungsrechte direkt bei Verlagen und Labels einkaufen könnt.
Über den Autor: Andreas Szabó
Andreas Szabó ist Medienmanager und gelernter Journalist. Er hat sich als Social Media-Berater, Journalist und Audio-Experte in Dresden positioniert. Er bringt über 15 Jahre Erfahrung als Content-Experten im Radio-Bereich, als Journalist und im NGO-Bereich mit. Sein Hauptjob bei der AWO ist es, sinnstiftende Themen, Kampagnen und Kanäle zu konzipieren. Parallel begleitet er als Berater andere Institutionen, Behörden, Parteien oder Firmen bei der Ausrichtung ihrer Content-Strategie mit Social Media-Workshops in Dresden.
(Bei der AllSocial-Konferenz ASMC 2023 in München hat Andreas Szabó “State of the art” Social Recruiting-Kampagnen präsentiert.)
Disclaimer: Dieser Text stellt keine Rechtsberatung dar und ist auch nicht als solche zu verstehen. Die Informationen dienen lediglich zur Orientierung bei Social Media Musiknutzung.