Gastbeitrag von Jan Stranghöner
Anfang April hat Temu mit seinen Anzeigen auf Meta jede erdenkliche Skala gesprengt, die wir bis dato gesehen haben. Seitdem untersuchen wir regelmäßig Methodik und Vorgehen Temus auf Meta über die Werbeanzeigentools, die einen spannenden Einblick in das vorgehen einer der größten Werbetreibenden auf Meta überhaupt gibt. Innerhalb einer Woche hat Temu 8000 neue Kampagnen geschaltet. Das lässt andere bekannte Player wie Shein oder Amazon weit abgeschlagen zurück. Noch dazu hat Temu bereits einen Marktanteil von 26 % erreicht und liegt damit fast auf einer Höhe mit dem Traditionshändler OTTO, obwohl Temu erst seit 2023 auf dem deutschen Markt aktiv ist.
Unabhängig davon, was man persönlich von Temu hält, das Konzept verfängt und stellt deutsche Onlinehändler vor große Herausforderungen. Wie soll man gegen ein Unternehmen ankommen, dass schier unerschöpfliche Kassen hat und extremes Wachstum anstrebt.
Wie Temu wirbt und warum diese Rechnung aufgeht
Wie die Zahl oben verdeutlicht, geht es bei der Werbung, die Temu macht, um Quantität und nicht Qualität. Die Anzeigen bestehen aus einfachen Produktbildern, die mit einem Hinweis auf Rabatte versehen sind. Das ist ein krasser Gegensatz zur aktuell weitverbreiteten Meinung, dass Anzeigen auf Meta besonders kreativ und unterhalten sein müssen, damit sie nicht direkt als Werbung wahrgenommen werden. Eine andere Form, die Temu massiv einsetzt, sind sogenannte Partnership Ads. Kleiner Creator:innen accounts stellen ihren Inhalt als Branded Content zur Verfügung. Sehr schnell und einfach produzierter User Generated Content – Ohne Buy-Out oder Post Produktionsaufwände – Direkt über Branded Content der Creator:innnen in die Kampagnen integriert. In dieser Vielzahl und Masse bis jetzt einzigartig.
Temu hat dabei ein einziges Ziel: Die Kund:innen in die App zu locken. Sobald die App einmal installiert ist, kann der Kunde darüber immer wieder ohne externe Kosten erreicht werden. Dementsprechend viel Geld kann Temu für diesen ersten Schritt der Customer Journey, also die App-Installation, ausgeben.
Temu verfolgt dabei einen in Europa bisher unüblichen Mobile-Only-Ansatz. Die App ist der Kanal, um bei Temu zu shoppen. Wer mal die Temu-App benutzt hat, weiß, dass Temu in einem großen Maß auf Gamification setzt. Regelmäßig erscheint ein Glücksrad, über das man sich Multiplikatoren, höhere Prozentsätze oder gleich einen Preiserlass für das Produkt, das man sich gerade ansieht, erspielen kann.
Bei so vielen augenscheinlichen Vorteilen, warum shoppen nicht noch viel mehr Menschen bei Temu?
3 Differenzierungsmerkmale für deutsche Händler, die Social Media rocken
Temu setzt vollkommen neue Maßstäbe im Marketing mit Meta und arbeitet auch sonst mit Ansätzen, die längst noch nicht in Europa etabliert sind. Es gibt aber Stärken, die Temu nicht für sich nutzen kann und einige Schwächen, die in der Natur von Temus Geschäftsansatz liegen.
Der deutsche Verbraucherschutz nimmt zum Beispiel immer wieder Temus Geschäftsaktivitäten unter die Lupe und warnt zum Beispiel vor mangelnder Produktsicherheit und undurchsichtigen Rabattkalkulationen. Zwar können Händler in Deutschland nicht mit derartig günstigen Preisen auf Social Media werben wie Temu, aber das ist auch gar nicht nötig. Es gibt Differenzierungsmerkmale, die genauso erfolgreich eingesetzt werden können und nennenswerte Akzente in der Kundenansprache auf Meta setzen.
Authentizität ist eine echte Geheimwaffe gegen Giganten wie Temu. Nahbarkeit und Kundenkontakt kann Temu nicht im gleichen Maß erreichen und ist das Fundament für überzeugende Marken mit Werten. Kundenzentrierte Botschaften können Schlüssel zum Erfolg sein.
Qualitätsversprechen: Da Produkte auf Temu oft aus zweifelhaften Quellen kommen und nicht selten unsicher für Verbraucher:innen sind, ist Vertrauenswürdigkeit im Handel unschlagbar. Niemand möchte ein Elektrogerät, das bei der ersten Verwendung in Flammen aufgeht oder einen Kosmetikartikel, der gesundheitliche Probleme macht. Händler:innen sollten somit unbedingt kommunizieren, wo und wie ihre Produkte produziert sind. Reviews helfen außerdem Vertrauen zu schenken!
Schnelle Lieferzeiten: Da Temu als Handelsplattform nur zwischen Kund:innen in Europa und Fabrikanten in China vermittelt und keine eigenen Lager unterhält, müssen Produkte lang aus China geliefert werden. Hier können Händler durch ihre eigene Logistik und durch den Versand im Inland glänzen.
Diese Merkmale eignen sich für das ganze Spektrum aus Contentformaten und -formen. Zum Beispiel Beratungs-Reels aus dem Verkauf sind unheimlich authentisch und kommen sehr gut an – das weiß ich aus eigener Erfahrung. User-Generated-Content eignet sich dafür, über die Produktqualität zu informieren und ist vorteilhaft, weil es auf einer Peer-to-Peer-Basis funktioniert. Am Ende triumphiert durchdachter und kreativer Content.
Fazit – Spezialisierung und Qualität übertrumpfen billige Masse
Trotz Temus raketenhaften Starts in Deutschland sollte niemand die Flinte ins Korn werfen. Gerade auf Social Media gibt es viel Raum sich im Kontrast zu Temu zu positionieren, da Temus Social-Media-Aktivitäten äußerst simpel sind. Mit den richtigen Differenzierungsmerkmalen lassen sich gute Erfolge erzielen, die dabei helfen, auf Social Media zu bestehen. Es ist zu erwarten, dass Temu eine Nische auf dem deutschen Markt besetzt halten wird, aber auf Social Media ist alles noch offen.
* Hinweis: Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag. Es besteht keine bezahlte Kooperation.