Auf ins Metaverse!

Spätestens mit Mark Zuckerbergs Ankündigung Ende Juli 2021, sich verstärkt auf die Entwicklung des Metaverse zu konzentrieren, ist das Thema auf der Agenda der Medien gelandet und zum neuen Buzzword innerhalb der Tech-Branche geworden. Es beschreibt die Vision eines gemeinsamen, virtuellen Raums, der einem digitalen Spiegel der realen Welt ähnelt – allerdings ohne die damit verbundenen Einschränkungen. Eine Parallelwelt, die gleichberechtigt neben der realen Welt existieren soll. Technische Entwicklungen wie das Internet, KI, Kryptowährung, etc. werden zusammen geworfen und stellen das Metaverse dar. Manche sprechen daher von nicht weniger als der nächsten Stufe des Internets wie wir es kennen – für alle Sinne.

Was ist das Metaverse?
Mark Zuckerberg beschreibt das Metaverse als „ein verkörpertes Internet, in dem man Inhalte nicht nur anschaut, sondern in ihnen steckt und sie via Virtual Reality direkt erlebt“. Und diese Inhalte können sehr verschieden sein, je nachdem, auf welchen beruflichen oder privaten Lebensbereich man schaut. Allgemein beschreibt der Begriff Metaverse eine computergenerierte Simulation eines virtuellen Raums, in dem interagiert werden kann. Dabei charakterisieren verschiedene Faktoren das Metaversum. Diese lassen sich aus verschiedenen Definitionen von Expertinnen und Experten wie folgt zusammenfassen:

  • Persistence (Beständigkeit): Wie auch die reale Welt, ist das Metaverse ein Ort, der kontinuierlich existiert. Das Leben wird kontinuierlich weitergeführt – unabhängig davon, ob man online oder offline ist. 
  • User-defined (benutzerdefiniert): Mehreren Leuten ist es möglich, im Metaverse zu interagieren. Indem sie in dieser virtuellen Welt leben, mit anderen Leuten connecten, Sachen kreieren und partizipieren formen sie zusammen Metaverse.
  • Everyday (alltäglich): Eine nahtlose Verschmelzung der alltäglichen Aktivitäten aus unserem realen Leben: Momentan trennen wir unser reales Leben vom Social Media-Leben, im Metaversum verschmelzen reale und virtuelle Welt. Es gibt eine ganze Existenz, die dann in der virtuellen Umgebung stattfindet und sich über die physische Realität legt. So werden Menschen dazu angeregt, das tägliche Leben in der virtuellen Welt zu verbringen. Das Metaverse bietet eine virtuelle Wirtschaft, in der es genauso Arbeitsplätze gibt, die gleiche Art von Finanz-Mechanismen, Cafés, Läden, Konzerte, etc. 
  • Interoperable (interoperabel): Alle Aktivitäten, Handlungen und Identitäten in dieser virtuellen Welt sind an keine Plattform gebunden, sondern über verschiedene Plattformen übertragbar – alles ist verbunden. 
  • Limitless (grenzenlos): Es gibt kein Limit für die Anzahl der Benutzer:innen, Erfahrungen oder Welten. 
  • Social and reactive (sozial und reaktiv): Das Metaverse bietet Raum, um Kontakte zu knüpfen, bestehende Verbindungen zu stärken und Gemeinschaften zu schaffen – und das alles in Echtzeit. Das heißt: Reaktionen auf Aktionen und Konversationen geschehen im synchronen Austausch. 

Eine neue Idee ist Metaverse aber keineswegs. Der Begriff wurde durch den dystopischen Roman „Snow Crash” von Neal Stephenson schon 1992 geprägt. Und bereits vor vielen Jahren haben Menschen in virtuellen Welten wie Second Life und EVE Online eine Identität angenommen und Teile ihres Alltags in die virtuelle Welt übertragen. Das Metaverse ist jedoch nochmal größer gedacht, nämlich nicht als Spiel, sondern es wird als gesamte Welt verstanden, in der alles denkbar ist.

Chance fürs Geschäft
Es bieten sich heute aber viel mehr Möglichkeiten für Marken und Unternehmen, neben der Realität in dieser virtuellen Welt zu partizipieren und verschiedene Formen der Kundenbindung zu fördern. So spezialisieren sich z.B. Fintech-Unternehmen darauf, Zahlungsoptionen für virtuelle Assets (wie Kleidung, Rüstungen, Kunst, etc.) in virtuellen Welten anzubieten um aus den virtuellen Assets Kapital schlagen zu können, während einige Start-ups völlig neue virtuelle Produkte schaffen, von Avataren bis zu Kryptosammelobjekten. Die Nutzer:innen sind tatsächlich schon heute bereit, sehr viel reales Geld für virtuelle Dinge zu bezahlen. So geben viele in virtuellen Spielen echtes Geld aus, um bspw. Grundstücke oder Waffen zu kaufen und diese im Spiel zu verwenden. Aber auch die virtuelle Kunst ist am Boomen, mehrere Millionen Euro werden ausgegeben, um virtuell etwas als den eigenen Besitz bezeichnen zu können. Welches Zukunftspotenzial das Metaverse hat, zeigt außerdem das Live-Konzert von Travis Scott bei “Fortnite” – die Spielwelt wurde hier zu einer virtuellen Konzertbühne. 

Welche Auswirkung die Technik jetzt schon auf die digitalen Beziehungen hat, zeigt eine Studie von Wunderman Thompson, bei der von 1003 Teilnehmer:innen aus China 84 Prozent angaben, dass Technologie ihre Beziehungen zu Freund:innen und Familie vertieft hat und 87 Prozent angaben, dass Technologie ihnen beim Schaffen und Fördern von Empathie geholfen hat.

Metaverse im Social Media Marketing
Mark Zuckerberg kündigt an, dass Facebook zu einem Metaverse-Unternehmen wird. Doch welche Rolle spielt Metaverse im Social Media Marketing? Metaverse ermöglicht User:innen, Teil einer virtuellen Welt zu werden, in der es – genau so wie in der Realität – eine Wirtschaft, Umwelt, Währung und unterschiedliche Verhaltensweisen gibt. Social Media muss sich dem anpassen: Neue Technologien wie Virtual Reality, Augmented Reality und Künstliche Intelligenz müssen Teil der digitalen Marketingstrategie werden. Vor allem vorangetrieben durch die Pandemie haben sich viele Teile des Lebens bereits in die digitale Welt verschoben, doch diese muss weiter gedacht werden. So wie sich Marketer an die technische Entwicklung hin zum Internet anpassen mussten, müssen sich Marketer nun an die Entwicklung hin zur neuen virtuellen Welt anpassen. Das heißt, es startet der Weg von einem 2D Feed zu einer 3D Social Media Community. 

Metaverse in Social Media eröffnet dem Marketing ganz neue Möglichkeiten. Betrachtet man bspw. wie sich Influencer-Marketing entwickeln könnte: Influencer:innen können im Metaverse mit ihren Avataren direkt mit der Brand interagieren. Snapchat ermöglicht bereits die Erstellung von Avataren: Die sogenannten Bitmotjis kannst du kleiden und gestalten, wie du möchtest und so eine digitale Version von dir selbst erstellen. 

Das Metaverse eröffnet Brands ganz neue Möglichkeiten mit ihren Fans, (potenziellen) Kund:innen und (Influencer) Partner:innen zu interagieren und zu kommunizieren. Food-Influencer können bspw. im Metaverse zusammen kochen und jeden daran teilhaben lassen, der möchte. Metaverse kennt keine Grenzen und ermöglicht Unternehmen und Influencer:innen ganz neue Formen des Marketings.

Wer beteiligt sich an der Metaverse-Entwicklung?
Neben Facebook haben sich tatsächlich schon etwa hundert Unternehmen weltweit dem Bau einer Metaverse-Infrastruktur verschrieben. Darunter fallen bspw. die Unternehmen VRChat, Immersed, Sandbox VR und Wave Concerts. Zentrale Bereiche sind 3D-fähige Software, VR/AR-fähige Hardware (insbesondere Displays), virtuelle Umgebungen mit Avataren (Spieleplattformen wie Fortnite) sowie Marktplätze für digitale Assets und Finanzdienstleistungen.

Das Thema hat in diesem Jahr auch die Rechts- und Vermögensverwaltung erreicht. Seit dem Sommer gibt es von Roundhill Investments und Matthew Ball einen Metaverse Investmentfonds, der Beteiligungen an Unternehmen wie Nvidia, Tencent und Roblox hält. Zudem gibt es Pläne für einen Immobilien-Investmentfonds von Metaverse REIT, welcher in virtuelle Vermögenswerte investiert. Und die Anwaltskanzlei Reed Smith hat im Frühjahr 2021 einen Leitfaden herausgegeben, der sich mit Rechtsfragen von geistigem Eigentum in virtuellen Welten beschäftigt.

Metaverse-Bestandteile
Einzelne Bestandteile eines Metaverse lassen sich in verschiedenen Kontexten erleben. 

Mark Zuckerberg arbeitet mit einer neu gegründeten Abteilung nicht nur an einer fernen Version eines Metaverse, sondern hat mit Facebook Horizon bereits eine Spieleplattform vorgestellt, in der gemeinsames Spielen über das VR Headset Oculus in einem virtuellen Raum möglich ist. Das Stichwort: Social Gaming durch VR. Zudem hat Facebook zwei Hardwares gekauft, die sich zusätzlich technologisch in die Richtung von Metaverse bewegen. Darunter zum einem Oculus, welche VR Headsets herstellen und so die Basis für Facebook Horizon liefern. Zum anderen kauft Facebook CTRL-Lab. Das Unternehmen stellt Armbänder her, die Signale erkennen, die über das Nervensystem vom Gehirn in die Finger gesendet werden. Das Ziel dabei: Den Computer bedienen ohne Controller, Tastatur, Maus oder Touchscreen. Mit diesen Werkzeugen macht Zuckerberg Schritte in Richtung Metaversum. 

Auch Epic Games, das Unternehmen hinter dem erfolgreichen Spiel „Fortnite”, hat angekündigt, mehr als eine Milliarde US-Dollar in Technologie zu investieren, um Unterhaltung und sozial vernetzte Online-Dienste voranzutreiben. Als Gastgeber von virtuellen Konzerten vor großem virtuellen Publikum hat Epic Games bereits positive Erfahrungen gesammelt.

Tencent, das gigantische Tech-Unternehmen aus China, ist mit WeChat im Besitz der größten digitalen Transaktions-App der Welt. Es bieten sich vielseitige Potenziale, die Erfahrungen und Infrastruktur aus E-Commerce, Social Commerce und Werbung in einem Metaverse zusammenzuführen.

Einen Ausblick zu einem beruflich geprägten Bereich eines Metaverse lieferte Nvidia kürzlich in Zusammenarbeit mit BMW. So wird gerade ein digitaler Zwilling einer Fabrik erstellt, in welchem Ingenieur:innen neue Arbeitsabläufe virtuell planen und einrichten, bevor sie sie in ihrer physischen Fabrik in Regensburg einsetzen. Hier stehen vor allem Erkenntnisse zur Effizienz im Mittelpunkt, welche durch virtuell geprüfte Automatisierung generiert werden sollen.

Die nächsten Schritte
Woher die nötige Energie für das Betreiben einer solchen daten-intensiven Umgebung kommen soll und welchen Einfluss wir damit auf den Klimawandel hätten, wird überhaupt noch nicht besprochen.

Die positiven Aspekte lassen sich aber mit einem echten Innovationsschub für das virtuell erlebbare Internet in Form von Software, Hardware und neuen digitalen Services nicht von der Hand weisen.

Das Anbieten virtueller Assets mag 2021 schon im Trend liegen, sich aber in den nächsten fünf Jahren wahrscheinlich in einer stetig fortlaufenden Entwicklung manifestieren.

Unternehmen können schon jetzt profitieren, in dem sie sich schon jetzt mit den Potenzialen beschäftigen, die in einem „nicht fragmentierten“ Marktplatz wie einem Metaverse im Vergleich zum heutigen Internet existieren würden.

Diese Potenziale drehen sich insbesondere um den intensiveren Austausch von Marken mit Communities, welcher von beiden Seiten gestartet werden kann. Ein experimentelles Engagement in ersten Vorläufern des Metaverse wie z.B. Fortnite bietet hohes Potenzial für eine Promotion über Social Media Marketing. Hier können virtuelle Events aufmerksamkeitsstark angekündigt und zusammengefasst werden. Der Verkauf von analogem Merchandising für virtuelle Events (Vergleiche Fortnite Konzert von Travis Scott mit 12 Mio Zuschauern im April 2021) bietet ferner Potenzial für Kommerzialisierung über „klassische“ digitale Touchpoints.

Zusammenfassen lässt sicher festhalten: Wenn sich erst eine Kultur um die 3D-Form des virtuellen Austauschs, Konsums, Spielens oder Arbeitens im Internet gebildet hat, wird sich diese nur schwer in die „alte” 2D-Form des aktuellen Internets zurückführen lassen.

Björn Erbslöh
Björn Erbslöhhttps://suxeedo.de/
Björn Erbslöh ist Business Director bei der Berliner Content Marketing Agentur Suxeedo. Er ist Spezialist für Marketing und Online-Kommunikation und hat er mehr als zehn Jahre Erfahrung in den Bereichen internationales Social Media und Content Marketing. Durch seine Zusammenarbeit mit Top Marken aus den Bereichen Automotive, Medizintechnik, Pharma und Software verfügt er über mehrjährige B2C- und B2B-Erfahrung.

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