7 Gründe warum Chatbots populärer werden als Apps – Einführung in Chatbots (4/4)

Bevor Mitte der 90er Jahre die Internet-Browser aufgetaucht sind, wurde Software in bunten Schachteln gekauft und von jedem Nutzer selbst direkt auf Betriebssystemen wie Windows installiert. Sobald die meisten PC-Nutzer einen Internet-Browser hatten, waren diese auch für die Nutzung von beliebiger Software viel bequemer. Schon bald wurde jede Art von Software im Browser „aus der Cloud“ angeboten, ohne Installation und immer aktuell. Statt vielen Programmen war auf einmal nur noch ein einziges erforderlich, nämlich der Browser, und man konnte einkaufen, Wetterberichte lesen, spielen, Kunden verwalten und so ziemlich alles andere, was früher eine Schachtel voll Software benötigte.

Mit dem Siegesmarsch der mobilen Geräte kamen auch die mobilen Betriebssysteme wie iOS und Android. Auch hierfür gab und gibt es Browser, die aber für die kleinen Touch Screens nicht besonders geeignet sind. Das war die Gelegenheit für die neuartigen Apps, mit optimierten mobilen Oberflächen und viel intuitiver Interaktion die Nutzer zu begeistern. Mittlerweile gibt es Millionen von Apps, die von Milliarden von Menschen verwendet werden.

Nun tritt aber wieder derselbe Effekt auf, der die Internet-Browser gegen die PC-Betriebssysteme gewinnen ließ: es gibt Programme, die jeder bereits nutzt und die eine nochmals vereinfachte und allgemeinere Interaktion ermöglichen: die Messenger-Dienste und ihre neuen Apps, die hier Bots genannt werden.

Aber werden sich die Messenger und die Bots wirklich durchsetzen und die breit etablierten Webseiten und die extrem populären Apps zurückdrängen? Das wird sich in den nächsten Jahren zeigen, aber die folgenden 7 Argumente sprechen dafür.

Argument 1:
Meine Lieblings-App fängt mit „Whats“ an und hört mit „App“ auf

whatsapp

Messenger-Apps sind populärer, als jede andere App oder jeder andere Dienst. Die drei populärsten Messenger WhatsApp, Facebook Messenger und weChat werden von einigen Milliarden Menschen benutzt, also bald der Hälfte der gesamten Menschheit. Die Messenger sind dabei, die zuvor extrem populären SMS zu eliminieren.

Alle Altersgruppen verwenden Messenger. Im Durchschnitt aller Nutzer werden Messenger zig Mal pro Tag geöffnet. Es gibt also nicht nur eine beeindruckende Reichweite, sondern auch eine Nutzungsintensität, wie sie noch kein digitaler Dienst jemals zuvor erreicht hat.

Wenn eine Plattform so stark genutzt wird, dann kann darüber auch noch vieles mehr erfolgreich transportiert werden, insbesondere all das, was heute in Webseiten und App steckt. Und die Messenger-Plattformen werden jeden Monat mächtiger. Gerade hat Facebook z.B. die Integration von Bezahl-Diensten bekannt gegeben.

Argument 2:
Der versteht mich ja

Bots bieten das optimale Interface, nämlich Sprache. Wir haben uns an Menüs, Buttons, Schieberegler und viele andere User Interface-Elemente gewöhnt, weil es keine Alternative dazu gab. Auf den Mobilgeräten wird es schon deutlich einfacher durch Touch Screens und Gesten. Aber jede Software, jede Webseite und jede App hat ihre Eigenheiten in den Bedienung und man muss sich immer durch jede Menge Strukturen hangeln, um ein Ergebnis zu bekommen.

Einem Chat-Bot sagt man einfach, was man will.  In Bereich der natürlichen Spracherkennung finden derzeit starke Entwicklungssprünge statt. Wer das nicht ernst nimmt, wird sich bald wundern.  Mittels Sprache lässt sich jedes Thema blitzschnell und direkt adressieren. Niemand geht in ein Sportgeschäft und sagt, er möchte gerne Info zu Herren / Sport / Fußbekleidung / Wandern / Nike / Größe 43 / Leder /schwarz. So funktionieren Online-Shops, aber nicht Menschen.

Mit Bots wird man sprechen können, Feedback bekommen, Beispiele ansehen, Spaß haben, Vertrauen aufbauen und sich kennenlernen. Keine Frage, ob das akzeptiert wird.

Argument 3:
Das hätte ich nicht gedacht, dass ich das kann

Bots sind leichter zu erstellen als Apps. Wer eine App in den iTunes App Store einreichen kann, der kann nebenbei auch seine Informatiker-Bachelorprüfung ablegen.  Und das Erstellen einer erstklassigen App erfordert so viele verschiedene Fähigkeiten, dass es in der Regel eines eingespielten Teams von Spezialisten bedarf, um ans Ziel zu kommen.

Chatbots sind dagegen deutlich reduzierter. Das mag daran liegen, dass die Messenger-Plattformen heute noch sehr wenige GUI-Elemente anbieten. Aber ein Großteil der Interaktion wird zukünftig über natürliche Sprache erfolgen und dafür wird es weitreichende Unterstützung der Bot Builder – Umgebungen geben.  Überhaupt wird es viel mehr konfigurierbare Module für Bots geben, während die App-Entwicklung immer noch auf einer sehr technischen Ebene stattfindet.

Argument 4:
Du kennt mich viel besser als meine Freunde

Bots werden die Nutzer gut kennen. Personalisierung ist kein neues Thema, erreicht aber allmählich einen Stand, der ganz neue Möglichkeiten bringt. Anbieter wie Amazon, Google und Facebook haben die Personalisierung auf ein ganz neues Level gebracht, indem sie einerseits sehr viel individuelle Nutzungsdaten sammeln und auswerten und andererseits mit statistischen Methoden für die Nutzer Empfehlungen aus dem Verhalten von ähnlichen Nutzergruppen oder Freunden ableiten.

Die Messenger-Plattformen werden das noch intensiver vorantreiben. Während Amazon schon sehr viele Daten durch die Einkäufe der Nutzer sammeln kann und Facebook die Gesamtheit der sozialen Aktivitäten auswertet, bekommen die Messenger die riesige Flut an individueller Kommunikation als Datenmaterial.

Das wird viel neue Diskussion um Datenschutz und Überwachung auslösen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die breite Mehrheit all diese Bedenken ignoriert, wenn sie dadurch einen attraktiven Dienst erhält. Es ist nicht realistisch zu glauben, dass sich das auf einmal ändern wird. Chatbots werden in einigen Jahren mehr über die Nutzer wissen als deren Freunde.

Argument 5:
Frag doch mal deinen Kollegen, den Wetter-Bot

Bots werden miteinander interagieren. Es gibt seit Jahrzehnten einen Trend zu immer stärkerer Integration aller Software, der insbesondere durch das Internet und seine einfachen Integrationsprotokolle beschleunigt wurde.  Dieser Trend wurde durchbrochen von den Apps, die von ihren Betriebssystemen keine guten Integrationsmöglichkeiten erhalten haben. Kaum eine App ist mit anderen Apps integriert.

Chatbots haben eine ideale Integrationsschnittstelle, nämlich die natürliche Sprache. Wenn ein Bot Sprache versteht, kann er andere Bots fragen und deren Antworten verstehen. Ein Reise-Assistent kann bei einem Wetter-Bot, einem Flug-Bot und einem Hotel-Bot nützliche Teilinformationen einholen, um dem Nutzer eine komplette Beratung zu geben.

Argument 6:
Woher kannst du das auf einmal?

Bots können lernen, und zwar auf ganz verschiedene Arten. Bots lernen, weil sie die Präferenzen der einzelnen Nutzer immer besser verstehen. Bots lernen, weil sie viele Nutzer unterstützen und dadurch Gruppen bilden können, die ähnliche Interessen und Denkweisen haben. Bots lernen, weil viele Entwickler ihnen Basiswissen über semantische Konstrukte beibringen. Darauf  können dann auch andere Entwickler über die Plattformen zugreifen können. Und Bots lernen aus den Fehlern und Korrekturen, die im Betrieb ständig vorgenommen werden.

Argument 7:
Na gut, wenn du mich so nett fragst

Bots werden eine Persönlichkeit haben. Webseiten und Apps haben ein „Look and Feel“. Aber niemand nimmt eine App als Persönlichkeit wahr. Das ändert sich, wenn Sprache ins Spiel kommt und damit all die Nuancen, wie sich verschiedene Personen verhalten und ausdrücken. Die ersten Bots mit Persönlichkeit werden vermutlich witzig, freundlich oder flapsig sein. Mit der Zeit wird das Wissen anwachsen, wie man komplexere Persönlichkeitsmerkmale kommuniziert.

Mit der Persönlichkeit kommen Vertrauen, Sympathien, sicher auch Abneigungen und andere Emotionen ins Spiel und damit auch eine neue Art von Beziehungen im Umgang mit Software.

Und wie schnell soll das alles passieren?

Viele technische Entwicklungen lassen sich zwar grundsätzlich sehr zuverlässig vorhersagen, aber der Zeitablauf wird oft falsch eingeschätzt. Die Vorgänger der Smartphones hatten lange Zeit einen schweren Stand: wer erinnert sich noch an den Apple Newton von 1998 oder die ersten Ansätze der Social Networks a la GeoCities in 1994?

Es ist aber auch ein Fakt, dass sich mittlerweile neue Systeme immer schneller global etablieren und Entwicklungen, die früher Jahrzehnte benötigt haben, jetzt in 2-3 Jahren ablaufen können.

Bei den Chatbots kommen viele Entwicklungen zusammen, die wie Artificial Intelligence, Erkennung der natürlichen Sprache und automatisierte Antwortsysteme schon seit langem durch wiederkehrende Hype-Zyklen gehen. In Kombination mit mobilen Geräten und den Messenger-Plattformen scheint nun aber eine kritische Masse erreicht zu sein.

In dieser 4-teiligen Mini-Serie über Chatbots wurde 1) eine Einführung in Messenger-Bots gegeben, 2) Bots nach Anwendungszwecken oder Kommunikationsstrukturen klassifiziert, 3) die neuen Bot Content Management Systeme vorgestellt und 4) 7 Gründe genannt warum Bots die Apps ablösen werden.

Franz Buchenberger
Franz Buchenbergerhttps://www.whatsbroadcast.com/de/
Franz Buchenberger arbeitet als Geschäftsführer der WhatsBroadcast GmbH mit Fachexperten aus den Bereichen NLP (Natural Language Processing), Facebook-Entwicklung und Messenger Plattformen daran, interessante Messenger-Bots zu entwerfen und zu entwickeln. WhatsBroadcast unterstützt bereits mehr als 500 Kunden mit Messenger-Diensten, die Marketing Automation, Kundenservice und Chatbots ermöglichen. Sein eigentliches Ziel ist die Entwicklung eines Bots, der ihn bei voller Lohnfortzahlung beruflich ersetzen kann.

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2 Kommentare

  1. Und irgendwann kommt dann Skynet und irgendjemand drückt auf „Y“ und dann ist Schluss mit lustig… :D

    „Niemand geht in ein Sportgeschäft und sagt, er möchte gerne Info zu Herren / Sport / Fußbekleidung / Wandern / Nike / Größe 43 / Leder /schwarz.“ <== Bester Satz!

  2. Text läßt sich relativ einfach von der einen in eine andere Sprache übersetzen. Bei der verschriftlichen Sprache von Chats wird das Umprogrammieren einer AI von Englisch auf Deutsch schon deutlich schwerer.
    Alles was da vom US-Standarduser abweicht, wird dann problematisch. Und wenn ich mir so angucke, wie eine auf Deutsch gefragte Siri mit meinen ansonsten englischen iOS-Settings so umgeht, dann ist das alles noch ein langer Weg.
    Kids kommunizieren fast nur noch per Sprachnachrichten in WhatsApp, während Google Maps Versuche, dt. Straßennamen englisch auszusprechen, immer noch zu Lachern im Auto führen. Wie unter diesen Umständen Bots miteinander interagieren sollen, bleibt ein Erfolgsgeheimnis.

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