Warum funktioniert Clubhouse und hat es Zukunft?

Gastbeitrag von Tim Ebner

Die neue Social-Media-App Clubhouse erzeugt derzeit viel Aufmerksamkeit. Vielleicht ein guter Zeitpunkt, um das Thema mal analytisch zu betrachten 🧐 Ein paar Gedanken dazu:

Clubhouse ist nicht das erste Netzwerk, das sich neben den großen Platzhirschen auf dem Markt versucht. 

Erinnern wir uns zurück: Im letzten Jahr war Vero hoch im Kurs. Über ein Bezahlmodell sollte ein „Facebook ohne Werbung“ geschaffen werden. 2017 war Mastodon als Alternative in der digitalen Szene hoch im Kurs. Ein paar Jahre zuvor, in 2014, gab es unter dem Vorzeichen in Scharen Facebook den Rücken zu kehren einen starken Nutzerzuwachs bei Ello. Als neuer Player am Weitesten gebracht hat es neben LinkedIn, WhatsApp und Instagram wohl das Netzwerk Vine. 2012 gegründet, wurde das Vine bereits Monate später von Twitter gekauft. 2016 folgte dann der Exodus. 

Lohnt sich der Hype?

Scheinbar ist es schwierig, sich am Markt zu behaupten. Aus Sicht der Nutzer stellt sich also die berechtigte Frage: Lohnt sich der Hype? Soll ich mich echt anmelden? So ein neues Netzwerk zu bespielen und zu konsumieren erfordert ja auch Zeit, die wir meist nicht haben. Allerdings könnte man als Nutzer, der früh am Start war, auch zu einer Art Influencer auf Clubhouse emporsteigen (First Mover). Damit sich das lohnt, müsste man auf eine aktive Gefolgschaft zurückgreifen können. Also eine Community, die sich regelmäßig einloggt.

Die Antwort fußt also auf einer simplen Frage: Wird Clubhouse es schaffen, die Nutzer nach der Registrierung aktiv zu halten?

Die langweilige Theorie hinter Netzwerken

Social-Media-Netzwerke sind ein Netzwerkgut. Das liegt ja schon im Namen. Bei einem Netzwerkgut ergibt sich der Mehrwert spezieller Weise nicht dadurch, dass man das Gut einfach nur hat, sondern dass möglichst viele Andere es auch haben. Beispiel: Telefon, Handy, Postadresse.

Wann ist es in der Vergangenheit soweit gekommen, dass ein Netzwerkgut das Andere ablösen konnte? Es gab einen relevanten Innovations-Sprung. Der gute alte Brief zwischen Freunden wurde vom Telefongespräch abgelöst, weil man sich da ja live miteinander unterhalten konnte. Der Hammer! Das Handy löste das Telefon ab, weil man es überall mit hinnehmen konnte. Unfassbare Möglichkeiten!

Wie sieht das bei Clubhouse aus?

Clubhouse ermöglicht es, soweit ich das verstanden habe, innerhalb eines exklusiven Kreises Gesprächsrunden zu führen, die von einem (exklusiven!) Zuschauerkreis mitgehört werden können. Exklusiv, weil man in das Netzwerk nur auf Einladung hinein kommt. Das Einladungssystem hat damals auch Facebook genutzt, deshalb ist dies eine beliebte Methode um sein neues Netzwerk am Anfang zu pushen. Ob die Methode heute vielleicht aufgrund der Marktsättigung eher eine Hürde darstellt neue Nutzer zu generieren, ist eine interessante Frage. Müsste ich mich zum Beispiel nicht um eine Einladung kümmern, hätte ich Clubhouse schon von innen gesehen. Ich würde das Netzwerk also vielleicht für alle öffnen.

Aber gehen wir mal davon aus, dass es mit einer ausreichend großen Nutzerbasis klappt: Wie hält Clubhouse seine Nutzerschaft aktiv? Wie schafft man es, dass sich die Nutzer regelmäßig einloggen? Hierzu braucht es einerseits Incentives und andererseits Opportunities.

Es braucht Incentives, Opportunities und einen Projektplan

Incentives stellen ganz einfach einen Mehrwert des Netzwerks dar. Das kann Exklusiv-Content sein, den man in der Form nur bei Clubhouse bekommt. Ein bisschen was habe ich dort schon gesehen, z.B. wenn Florian Litterst, Sebastian Vogg, Jan Stranghöner und Simon Mader über Facebooks iOS 14 Update diskutieren, finde ich das spannend.

Die Frage ist nur: Wie viele solcher spannenden Themen wird es (im Zeitalter des Internets) nur auf Clubhouse geben? Und wie lange noch werden Experten kollektiv und ohne monetäre Incentives die Zeit dazu aufbringen sich auf Clubhouse zu einem gemeinsamen Termin (sic!) zu sprechen? Das literarische Quartett auf ZDF trifft sich sicherlich auch nicht nur deshalb einmal im Monat, weil die Diskussion so inspirierend ist, sondern aufgrund von Gagen.

Damit kommen wir gleichzeitig zum Thema Opportunity. Welche Zeit haben Publisher und Konsumenten für Clubhouse zur Verfügung? Die Content-Flut ist derzeit schon auf den großen Netzwerken so krass, dass das einzelne Stück Content 1,7s konsumiert wird, dann kommt das Nächste dran. Schwierig, wenn man da versucht mit per Natur aus längeren Diskussionsrunden bzw. virtuellen Talkshows Fuß zu fassen.

Wenn man aber nicht gerade wie Instagram von einem großen Bruder unter die Fittiche genommen wird, um masstauglich gemacht zu werden, oder es per se schon wie WhatsApp geschafft hat sich eine bemerkenswerte Nutzerbasis aufzubauen, braucht man einen smarten Projektplan. Beeindruckend geht hier beispielsweise LinkedIn vor. Mit dem Newsfeed, E-Mails und Push-Mitteilungen, die einen regelmäßig ins Netz ziehen und zur Interaktion anregen, Kontaktvorschlägen, immer neuen Content-Formaten, Live-Videos, Werbeanzeigen, automatisiert erstellten Seiten für jeden Ort, den man so auf Google Maps finden kann, und der irgendwann von irgendeiner verantwortlichen Person administriert werden will hat LinkedIn in den letzten paar Jahren quasi jeden Kniff und jeden Fehler von Facebooks 15jähriger Roadmap in Lichtgeschwindigkeit durchgezogen. Hinzu kamen noch eigene, zur Community passende Ideen wie LinkedIn Learning, womit man Weiterbildungen online belegen und sich das Zertifikat dazu später schön ins Profil heften kann, oder LinkedIn Elevate, einem Programm mit dem gezielt Corporate Influencer aufgebaut werden können (bald konnten). Vielleicht fällt hier direkt sprichwörtlich der Groschen: Ein soziales Netzwerk braucht neben einer guten Innovation vor allem eins: Kohle.

Cash rules everything around me

Ich mag den Enthusiasmus hinter neuen sozialen Netzwerken sehr, hat er doch irgendwo etwas mit Idealismus, Neugier und „guten Sachen“ zu tun. Dennoch: Ohne Kohle und einem langfristig smarten Konzept wird es Clubhouse aus meiner Sicht nicht so weit schaffen. Denn um so ein Konzept umzusetzen, braucht es viele Ressourcen. Bei Instagram war das Facebook, bei LinkedIn war das Microsoft. Die romantische Zeit, in der man aus dem Studentenwohnheim heraus ein weltweit genutztes Netzwerk ins Leben rufen kann, sind vorbei, weil der Markt besetzt ist. Es sei denn, man schafft es wie Snapchat, den Großen eine spitze Zielgruppe sehr smart abzuluchsen. Aber auch das passiert immer seltener, weil Facebook den Markt sehr genau im Auge hat und Neuerungen (wie z.B. Storys) einfach schnell kopiert und sich darauf verlässt, dass Start-ups weniger Kohle für gute Anwälte im Patenrecht haben als man selbst. Eine coole Idee wäre vielleicht noch, in Zeiten von Corona virtuelle Konferenzen mit einer kommerziellen Lösung für Diskussionspanels zu versorgen. So hätte man die aktuelle Krisensituation direkt genutzt und könnte sich etwas Cash Flow sichern. Aber Vorsicht: Hier habe ich jetzt keine Wettbewerbsanalyse gemacht, sondern schreibe einfach nur, was mir gerade in den Kopf kommt. Lirumlarum, kommen wir zum Fazit :D

Mein Fazit: Lasst uns ein bisschen Spaß haben, aber auf dem Teppich bleiben :)

Ist Clubhouse nun für die Katz? Ich denke nicht. Vielleicht haben sie ja auch den großen Plan und die erforderliche Platte, wer weiß? Bis sich das herausstellt können wir durch experimentieren und Neugier sicherlich Einiges lernen. Denn so ein neues Format, wie es Clubhouse bietet (quasi der Multi-Podcast mit vielen Teilnehmern) ist sicherlich interessant. Und in ein paar Monaten sprechen wir uns hier auf LinkedIn wieder und gucken, was aus Clubhouse geworden ist. Ich würde jedenfalls gegen Clubhouse wetten, vielleicht um ein Kaltgetränk beim Wiedersehen nach dem Lockdown. Wer wettet dafür?

Tim Ebner
Tim Ebner
Tim Ebner ist seit 2018 Digital Analyst bei innogy.C3 und seit 2012 Berater für datenorientiertes Content & Performance Marketing. Dabei hat er in der B2B-, B2C-, Politik- und Medienbranche Erfahrungen gesammelt. Sein Studium hat Tim an der Uni Münster im Fach Volkswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Internationale Ökonomie absolviert.

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1 Kommentar

  1. Hi Tim,
    danke für deine Gedanken dazu, aber nur um die Frage nach dem Invest hinter Clubhouse mal zu beleuchten. Die Gründer der Plattform sind immerhin der Silicon Valley Unternehmer Paul Davison, sowie ex-Google Employee Rohan Seth. Laut CNBC erhielt die App eine Finanzierung i.H.v. von 12 Millionen US-Dollar(!) durch die Kapitalgesellschaft Andreessen Horowitz und wird inzwischen mit 100 Millionen US-Dollar bewertet. Diese Tatsache ist also alles andere, als eine romantischen Vorstellung „aus dem Studentenwohnheim heraus ein weltweit genutztes Netzwerk“ zu schaffen.

    Bezüglich der Incentives die es braucht um Nutzer weiter zu halten, stimme ich dir zu und auch daran wurde in der Beta-Version bereits gedacht. Nachdem die erste 2 Invites nämlich aufgebraucht sind, die jeder User mit der Anmeldung bekommt, gibt es 3 weitere nachdem du deine ersten 4-5 Stunden aktiv gestreamt hast.

    Die Chance für Clubhouse liegt definitiv in der aktuellen weltweiten Entwicklung, dass so viele Teams nicht real zusammen arbeiten können. Video-Calls sind anstrengend und werden auf das wesentliche reduziert. Doch was ist mit den kleinen Talks zwischendurch? Wo kein Raum zum socializen bleibt, könnte Clubhouse sehr bequem übernehmen und ähnlich wie Slack, eine Business-Lösung schaffen, damit beispielsweise Teams für den Talk in der Pause zusammen kommen können. Und zwar während der Salat noch geschnibbelt wird und ohne, dass ich den Kollegen beim Kauen zusehen muss. Man darf gespannt sein.

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