– Gastkommentar von Stefanie Fuchs –
Hunderte deutsche Facebook-Seiten jeglicher Couleur haben sich derzeit zur Wahl gestellt für den TNS Infratest Fanpageaward. Ich frage mich: WARUM?
Geht es nach TNS selbst, dann um „zu zeigen, wie ihr Markenauftritt von Ihren Facebook-Fans bewertet wird und ob Ihre Fanpage zur Weiterempfehlungsbereitschaft beiträgt.“ Auch könne man herausfinden, „was Fans über ihren Facebook-Auftritt denken“ und so „den Wert Ihrer Markenseite“ ermitteln.
Klingt soweit plausibel, erweist sich aber als sehr vollmundige Versprechung.
Zum Hintergrund:
Vom 21.8. – 8.9. können Fans deutscher Facebookseiten in einer Befragung von TNS Infratest ihre Meinung zur besten Fanpage in Deutschland abgeben. Laut Pressemeldung sind 366 „Markenseiten“ dabei (komplette Liste als Screenshot): ein wilder Querschnitt der deutschen Facebooklandschaft.
Statistisch wird bei der Auswertung zwischen Seiten von über und unter 100 000 Fans unterschieden. Die Teilnahmebedingung für die Pages sind jedoch einheitlich: Sie müssen mindestens 1000 Fans haben und mindestens 80 an der Befragung teilnehmen. Diese wird über eine App von TNS abgewickelt, die 5 Fragen und standardisierte Antwortmöglichkeiten enthält.
Als Lohn für die teilnehmenden Pages winkt die Einstufung in die TOP 10 der besten Fanpages Deutschlands inkl. einer Veröffentlichung dieser Liste bei W&V sowie ein formschönes Glasobjekt, das man sich in die Vitrine im Besprechungsraum stellen kann.
Aber das soll natürlich nicht der Hauptnutzen sein:
Auf der Homepage verspricht TNS eine ausführliche Analyse inkl. Benchmarking („sofern möglich“), aus der ganz klar hervorgehen soll, wo eine Fanpage steht. Praktischerweise wird das ausgedrückt im sogenannten FCI, dem Fanpage Community Index, der sich aus der Summe von jeweiligen Durchschnittswerten (Weiterempfehlung + Inhalte + Interaktion + Kundenbetreuung + Wettbewerbsvorteil) ermittelt. Eine Gewichtung der jeweiligen Teilaspekte gibt es nicht.
Wer sich als teilnehmende Page das Premium Paket leistet, erhält die Möglichkeit, noch 5 zusätzliche Fragen zu stellen, deren Auswertung dann auch im abschließenden Bericht erfolgt. (Beispiel dazu hier)
Dies könnte dann z. B. dieses beinhalten:
Zwar darf man sich an dieser Stelle überlegen, was ich etwa als Sportverein, als Baumarkt oder als Restaurant an „nützlichen und spannenden Apps“ oder „Unterhaltung und & (sic!) Multimedia“ zu leisten in der Lage wäre, aber diese Frage versteht sich hier natürlich nur als Beispiel. Ein winziger Zusatznutzen ließe sich durch gezielte Anpassung auf meine Bedürfnisse eventuell an dieser Stelle noch herausholen – sofern es mir zu unkompliziert wäre, einfach mal die Leute auf meiner Page direkt danach zu fragen!
Zur Umfrage selbst
https://apps.facebook.com/tnsinfratest/
Nach Bestätigung der App (die u. a. auch den Arbeitgeber ausliest, um nach Aussage von TNS zu verhindern, dass man eine Seite bewertet, der man sozusagen „persönlich“ nahesteht), kann ich eine Page zur Bewertung auswählen, im Testfall standen folgende Seiten zur Wahl:
Willkürlich wähle ich das Bräustüberl Tegernsee und erhalte im Anschluss daran hanebüchene Fragen, von denen ich die schönsten ausgewählt habe:
Wie zuverlässig ist die Selbsteinschätzung eines Fans, der vielleicht regelmäßig, vielleicht selten meine Seite besucht? Wenn er voll und ganz zustimmt, heißt das, er hat einmal, zweimal, fünfmal oder tausendmal meine Seite weiterempfohlen? Wenn er überhaupt nicht zugestimmt hat, heißt das, er empfiehlt die Seite nicht weiter, weil er die Seite blöd findet oder weil er einfach weiß, dass Familie und Freunde seine Begeisterung fürs Bräustüberl nicht teilen werden? Erinnert er sich überhaupt noch daran, ob er vor zwei Jahren, als er Fan wurde, nicht doch mal was geteilt hat?
Auch meine Einschätzung zur Qualität wird abgefragt:
Über Geschmack lässt sich ja nicht streiten und es träumt ohnehin jeder Online-Marketer davon, dass der Fan als solcher mal „generell“ die Qualität der Inhalte beurteilt. Natürlich wird ein Befragter sich die nötige Zeit zur Reflexion nehmen und sich vielleicht Folgendes überlegen: „Ich finde die Inhalte schlecht, weil ich mir wünsche, es würde öfter mal ein lustiges Memo gepostet werden. Gut finde ich aber, dass man ganz oft Fotos von den Bedienungen findet, weil ich die recht gerne mag (alles Beispiele, die ich mir aus den Fingern gesaugt habe, also bitte kuckt nicht auf der Seite nach!). Ich entscheide mich also für zufriedenstellend.“
Wie ist dieses Ergebnis dann in der Folge in eine Marketingstrategie zu integrieren, wenn aus der Umfrage ohnehin nicht einmal hervorgeht, WAS denn gut bzw. schlecht an meinen Inhalten ist?
Auch die Frage nach der Vergleichbarkeit halte ich für schwierig:
„50 Fans finden Bräustüberl Tegernsee im Vergleich zu anderen Marken schlecht“, könnte da zum Beispiel herauskommen. Man stelle sich den Betreiber der Page vor, wie er versucht, daraus weitere Schritte für seinen nächsten Redaktionsplan abzuleiten. Wenn er Glück hat, hat er das Premiumpaket inkl. Benchmark gebucht, hat er Pech, bleibt es ihm selbst überlassen, die eigene Marke zwischen Automobilkonzernen, Baumärkten, Foodbrands, Agenturen, Spaßseiten, Hilfsorganisationen usw. zu verorten. (In diesem Zusammenhang auch sehr interessant, das Ergebnis vom letzten Jahr. „Sternburg Bier gewinnt den diesjährigen Award mit der besten Bewertung, dicht gefolgt von Erich Weber Consulting und Hitradio Ohr.“)
Besonders schön fand ich auch:
„Ich stimme voll und ganz zu, schließlich habe ich bestimmt schon zwischen 3 und 5 Mal irgendsowas gemacht.“
Spätestens hier dürfte klar sein, dass sämtliche Daten, die bei dieser Befragung erhoben werden, für die Analyse meiner Fanpage absolut nutzlos sind. Sowohl, wenn ich mir davon konkrete weitere Schritte verspreche, wie ich meine Page verbessern könnte, als auch, um den tatsächlichen Stand der Faninteraktion abzuleiten. Ich erhalte Selbsteinschätzungen von Fans, die lediglich auf deren Erinnerungsvermögen oder ihrem persönlichen Geschmack basieren.
Die gesamte Erhebung ermöglicht mir keinerlei Erkenntniszugewinn, den nicht ein vernünftiges Statistiktool, das auf den „echten“ Facebook-Daten fußt, auch leisten könnte – und zwar detaillierter sowie –nunja– sinnvoller.
Gibt es dann irgendeinen Grund, sich als Unternehmen an diesem Award zu beteiligen?
Ganz klares „Nein“, was den von TNS versprochenen angeblichen Hauptnutzen der Befragung betrifft: Erkenntnisse über die eigene Fanpage und eine Verortung in der deutschen Markenlandschaft auf Facebook. Faktisch wird nicht die TOP 10 der deutschen Brandpages, sondern die TOP 10 der loyalsten Facebook-Communities via Befragung ermittelt.
Ganz klares „Ja“, wenn man es in die TOP 10 einer abgedruckten Liste in W&V schaffen will und die damit verbundene Publicity, die jeder Award mit sich bringt (man denke hier vielleicht an den B2B-Bereich oder auch die interne Anerkennung, die der Social Media Manager endlich erhält), für sich nutzen möchte. Nicht jeder steckt so tief in der Facebook-Materie wie wir und braucht deshalb vielleicht eine Art Gütesiegel, um die Arbeit von jemandem besser einzuordnen. Dies kann der TNS Infratest Award sicherlich leisten.
Zumindest kann man auf jeden Fall mal was dazu posten.
Achja, eins noch:
Ein Vergleich mit Statistiktools könnte sich spätestens an dieser Stelle nochmal rentieren.
Über die Autorin:
Stefanie Fuchs arbeitet als Social Media Consultant bei User Centered Strategy in Nürnberg und interessiert sich vor allem für Unternehmensbranding und Brandingeffekte von Social Media Kampagnen.
Vorträge und Workshops zum Thema, unter anderem auch auf der Nürnberger Web Week (http://www.nueww.de/)