Facebook ist keine Konkurrenz zu YouTube und wird es auch nicht so bald werden

In den letzten Tagen habe ich mich des Öfteren mit dem Thema Facebook und Videos beschäftigen dürfen. Dabei haben einige Erfahrungen meine Sicht auf dieses Thema verändert. Nachdem Facebook ja bereits 2014 zum „Jahr des Videos“ ausgerufen hatte und dieses Versprechen 2015 erneuerte, kann ich dieser Ansicht nicht mehr folgen. Auch und obwohl ich vor Kurzem noch in die gleiche Richtung argumentiert habe.

Videos auf Facebook sind gegenüber YouTube noch immer stark beschränkt:

Anfang des Jahres hatte ich mich noch zu der Aussage hinreißen lassen: Video-Monetarisierung auf Facebook werden wir noch in 2015 sehen. Das glaube ich inzwischen nicht mehr. Dazu mahlen die Mühlen im „Move Fast and Break Things“-Unternehmen inzwischen zu langsam. Auch die f8 Keynote war in dieser Beziehung eher enttäuschend. Mit Instant Articles dürfen im Moment eine Handvoll ausgewählter Medienunternehmen ihre ersten Erfahrungen mit der Monetarisierung von Zeitungsbeiträgen sammeln. Und selbst diese Technologie kommt nicht so Recht in die Gänge. Als Außenstehender könnte man auch von einem Strohfeuer reden. Dass irgendwann einmal Nutzer ihre Existenz auf der Basis einer Video-Monetarisierung wie bei YouTube bestreiten können, scheint für mich absolute Utopie.

Bei Kanälen und Playlisten hat Facebook etwas halbherzig nachgebessert. So kann man als Seite nun Playlisten anlegen. Diese finden sich jedoch nur in einem Tab innerhalb der Seite. Angesichts der Tatsache, dass Facebook die Unternehmensseiten in ihrer Bedeutung in den letzten Jahren stark abgeschwächt hat – alles findet im Newsfeed statt – scheint uns das doch eher eine unglückliche Lösung. Mobil ist der Weg zu den Playlisten sogar noch mal etwas schwerer zu finden.

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Der Newsfeed ist der denkbar schlechteste Ort, um ein Video zu konsumieren. Denn der Newsfeed ist auf ständige Konkurrenz unter den Beiträgen ausgelegt. Jeder Post versucht, spannender zu sein als alles, was ober- oder unterhalb passiert. Die Aufmerksamkeit des Nutzers hier länger als ein paar Sekunden zu binden: fast unmöglich. Das zeigt auch der ernüchternde Blick in jede einzelne Facebook-Videostatistik. Facebooks Methode, ein Video nach drei Sekunden Anspielzeit bereits als „gesehen“ zu markieren, scheint mir nicht zuletzt aufgrund der AutoPlay-Funktion eher „gewagt.“

Dass Videos bei Facebook zudem auf 45 Minuten beschränkt sind und es keine Livestream-Möglichkeit gibt, ist angesichts der anderen Punkte geschenkt.

Die Predigten der Facebook-Mitarbeiter „Bringt eure Videos auf Facebook, da ist eure Zielgruppe, da habt ihr einen Native Player und dort erreicht ihr mehr Reichweite“ kann ich deshalb nicht mehr so richtig glauben. Wer seine Videostrategie komplett von YouTube zu Facebook verlagert, begeht einen großen Fehler, denn auf Facebook verschwinden die Videos nach ihrem kurzen Hype im Newsfeed sehr schnell in der Vergessenheit. Anders als bei YouTube gibt es keinen LongTail. Bereits nach wenigen Tagen ist das Video vergessen und kaum noch auffindbar.

Womit wir bei der Suche wären. Darüber brauche ich nicht viele Worte verlieren. Jeder, der über den Namen einer Person oder eines Unternehmens hinaus einmal versucht hat, die Facebook-Suche zu nutzen, wird sich sein Bild gemacht haben. Selbst die direkte Suche nach dem Titel eines Videos scheitert. Dem Gegenüber steht die nach eigenen Aussagen zweitgrößte Suchmaschine der Welt – YouTube.

Mit meiner Einschätzung, dass Facebook nicht bereit ist für Videos, scheine ich nicht alleine zu sein. Dazu diese kurze Geschichte: Ein paar bekannte Youtuber waren vor zwei Wochen auf Tour durch Silicon Valley und nutzten die Chance bei dieser Gelegenheit auch einmal bei Instagram und Facebook eine Führung zu erhalten. Darunter war auch Simon Unge, der nach seinem Ausstieg bei Mediakraft auch dem ein oder anderen Nicht-YouTuber bekannt sein dürfte. Herausgekommen ist natürlich ein Video. 14 Minuten lang mit inzwischen etwa einer halben Millionen Aufrufen – auf YouTube. Scheinbar konnte man Simon Unge – über 15 Sekunden Clips hinaus – nicht ausreichend von Facebook-Videos überzeugen.

Aber vielleicht muss man auch etwas klarer abgrenzen: Die Kombination aus Facebook und Video funktioniert – aber derzeit am besten im Bereich der Mediaschaltung. Wenn es darum geht, die Markenbekanntheit zu steigern oder per Video eine direkte Conversion anzustoßen, dann ist Facebook-Video das richtige Mittel. Denn dann sind alle hier aufgeführten Argumente unwichtig. Da braucht es weder Monetarisierung, noch Suche oder Playlisten, es geht einzig um wenige Sekunden Aufmerksamkeit für die eigene Marke.

Wer sich hier an ein paar Tipps und Regeln hält, erzielt sicher gute beziehungsweise sehr gute Ergebnisse und angesichts der noch immer geringen Konkurrenz an Videos anderer Marken sind auch die Preise pro Videoview erfreulich gering. Wer Facebook aber als wichtige Komponente im Content Marketing sieht und als „neues“ YouTube versteht, dürfte doch enttäuscht werden. Am Ende des Tages gilt Facebook und Youtube gleichzeitig richtig zu bespielen, auch wenn dies vielleicht bedeutet das man für jeden Kanal andere Videos produzieren muss.

Image Credits: Venimo @ Shutterstock.com

Jens Wiese
Jens Wiesehttps://jens-wiese.net/
Jens hat Allfacebook.de mitgegründet und war dort 12 Jahre lang als Chefredakteur tätig. Mit den Impact Cards hat er eine Lösung vorgestellt, die es jedem Social Media Manager erlaubt eine eigene Social-Strategie zu erstellen. Unabhängig von Beratern und Agenturen.

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5 Kommentare

    • An diesem Punkt im Artikel geht es eher um die Monetarisierung für den Ersteller des Videos, bei YouTube werden diese zum Beispiel am Werbeumsatz beteiligt. Das Facebook über Video Ads selbst Geld verdient ist eh klar :)

  1. Wenn ich mal wild raten müsste, würde ich sagen, dass Facebook Content-ID nicht hinbekommt. Und solange man User nicht garantieren kann, ihre Rechte wirksam zu schützen, solange ist Monetarisierung nicht möglich. Es sei denn man hat Bock auf eine Million Prozesse und Milliarden an Schadensersatzforderungen der Unterhaltungsindustrie.

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