Wie schwer es sein kann mit den eigenen Fans zu kommunizieren, und das diese Gratwanderung manchmal leider nicht ganz funktioniert, zeigte in den letzten Tagen Host Schlämmer. Der stellvertretende Chefredakteur des fiktiven Grevenbroicher Tagblatts und Ex-Kanzlerkanditat hat in den letzten Tagen einiges an Kritik auf Facebook einstecken müssen.
Auf einen als Scherz gemeinten Link zur eigenen Hotelkritik „Endlich im Paradis“ auf Tripadvisor reagierten viele Fans negativ. Innerhalb von 2 Std gab es über 30 negative Kommentare und ca. 60 Fans verabschiedeten sich von der Page an einem Tag. Wie viele Fans nur auf den „Verbergen“ Button geklickt und nicht gleich die Page entfernt haben lässt sich leider nur erahnen, die Zahl dürfte aber deutlich höher sein. Horst (bzw. der Betreiber der Page) reagierte etwas zu langsam, löschte den Beitrag und äußerte sich öffentlich, dass der gepostete Link als Scherz gemeint war. Das die Stimmung dadurch nicht unbedingt besser wurde zeigt sich nur zwei Tage später als auf ein Gewinnspiel hinwiesen wurde, auch hierauf gab es Kritik. Im Gegensatz zum ersten Post reagierten die Betreiber schnell und steuerten die Kritik weitaus besser. Ein tolles Beispiel wie gut sich schnelle Reaktion und Steuerung auswirken…
Wir haben einige Screenshots der Beiträge, natürlich auch des inzwischen gelöschten Beitrags:
- Erster „Horst in der Karabik“ der als Schleichwerbung interpretiert wurde
- Zweiter Post als Konfliktlösung
- Dritter Post zum Gewinnspiel der auch negativ reaktionen ausgelöst hat
Negative Beispiele für Kommunikation im Social Web gibt es zu genüge. Zu diesem Thema sind wir auf den Vortrag von Jan Heinemann „Kritik im Social Web“ aufmerksam geworden (siehe oben). Einige Key Points des Vortrags:
- Kritik bleibt dank Google für immer
- über 78% vertrauen den Empfehlungen anderer Nutzer
- Firmen laufen Gefahr schnell auf die Nase zu fallen
- Kritik muss gesteuert werden und soll zum richtigen Adressaten
- Kritik ist eine Chance, um Prozesse zu verbessern, Produkte zu verbessern, Kunden zu binden und kann als Grundlage für Innovation dienen
Jan erwähnt auch den Punkt „Kritik kann einfach verbreitet werden“ welcher unserer Einschätzung nach auf Facebook besonderes Gewicht bekommt. Genauso wie sich besonders gute Statusupdates auf Facebook sehr schnell verbreiten und viele Menschen erreichen, wird Kritik auf Facebook multipliziert.
Je aktiver Fans auf ein Update reagieren desto wahrscheinlicher ist es das die Meldung bei vielen Fans im Stream angezeigt wird. Wird die Kritik nicht schnellst möglich (und das bedeutet auf Facebook innerhalb von Minuten) gesteuert kann die Kommunikation schnell überhand nehmen. Wer abwartet kann den Prozess später nur noch schwer steuern.
Wie also damit umgehen? Im Fall von Horst Schlämmer wurde der betroffene Beitrag entfernt, dies aber auch offen kommuniziert. Entfernen von Inhalten insb. Kritik ist im Social Web und auch Facebook ist mit äußerster Vorsicht zu betrachten und löst oft noch heftigere Kritik aus. Einen Grundsätzlich richten Weg mit Kritik umzugehen haben wir bis jetzt leider noch nicht gefunden, allerdings gibt es ein paar Tipps:
- Erst nachdenken dann Posten. (Sind die Inhalte interessant? Bieten sie Mehrwert? Ist Targeting sinnvoll?)
- Wenn Werbung, dann klar kommunizieren
- Offen auf Kritik reagieren (In angemessener Form und ohne Provokationen)
- …
Kritik gibt es immer wieder, uns interessieren eure Erfahrungen mit negativem Feedback, wie geht ihr damit um?
Update: Linktipp – 20 Regeln für Krisenkommunikation im Social Web (via Albert in den Comments)
Spannender Artikel, scheint als würde das Wort Krise immer wichtiger, früher brauchte es richtige Kracher, damit sie sich verbreitet haben, in den Communities werden auch kleine Fehltritte schnell bestraft. Thumbs up! Al :)
(Hinweis: Ich arbeite aktiv an der Schlämmer-Kampagne als Social Media Redakteur)
Danke für diesen schönen Beitrag, ich hatte das was dort passiert ist auch schon als prototypisch verstanden.
Beim ersten Mal hätte man tatsächlich schneller reagieren müssen, beim zweiten Eintrag (der Erklärung der Löschung) zeigte sich aber auch, dass es viele Fans gab, die die Hotelkritik genauso verstanden hatten wie sie gemeint war: als Scherz. Infolgedessen entwickelte sich eine Diskussion über Humor generell und das war dann wieder toll zu sehen.
Als generellen Hinweis kann man nur geben: Man sollte jederzeit in der Lage sein zu reagieren und auf die Leute einzugehen. Wenn man schnell und freundlich ist, zuhört und Ideen aufnimmt, kann man eigentlich nicht viel falsch machen.
Eine Kritik am Gewinnspiel auf musikexpress.de war die Tatsache, dass wir nicht selbst DVDs via Facebook und Website an die Fans verlosen. Absolut berechtigt und schnell aufgenommen: Inzwischen läuft die Verlosung per Fotos taggen und als Kommentar im Blog soll beschrieben werden, was man einen Tag als Bundeskanzler/in tun würde.
Insgesamt ist die Kampagne mit so vielen Fans natürlich herausfordernd, macht aber auch einen Riesen-Spaß. Ein bisschen wie Improvisationstheater auf einer Comedy-Bühne.
@Thomas, nice! Vielen Dank fürs Feedback. Ihr seid ja immerhin eine der größten deutschen Facebook Pages. Man hat schnell gesehen dass ihr dazugelernt habt. Die Kritik am ersten Beitrag war natürlich auf den zweiten Blick unangemessen, aber es ist wirklich interessant welche Gradwanderungen man gehen muss und wie teilweise auch etwas missverstanden wird.
es ist eine Gra*t*wanderung – selbst, wenn man es sonst auch nicht so genau nimmt mit dem Journalismus.
Ich denke es ist grundsätzlich falsch unliebsame, provozierende oder „zerissene“ Inhalte aus dem Social Web zu löschen. Besser ist ein sichtbares revidieren oder kommentieren.
Nicht ohne Grund werden bspw. Änderungen an Blogartikel gemäß Blog Etikette eindeutig sichtbar gemacht. Facebook stellt an dieser Stelle aus technischer Sicht keine zielführenden Optionen bereit, da Kommetare durchlaufen und so zu schnell verschwinden. Hier besteht also Potenzial für Weiterentwicklungen – insbesondere für Betreiber von Pages.
Zu der Horst Schlämmer Aktion finde ich ein Interview auf unserer Website passend, was ich hier gerne verlinken möchte:
Prof. Dr. Peter Szyszka – Authentizität und Inszenierung in der PR
Dabei könnte insbesondere die folgende Frage für die Leser dieses Blogartikels interessant sein.
„Inwieweit lassen sich die – gerade in der Social Media Arena stark diskutierten – normativen Ansprüche bezüglich individueller Authentizität mit dem aktiven Gestaltungsauftrag von PR-Professionals vereinbaren, die mehrheitlich mit der Interessenvertretung Ihrer Arbeitgeber beauftragt sind?“
…und nun der korrekte Link zum Interview: Prof. Dr. Peter Szyszka – Authentizität und Inszenierung in der PR