Sind Chatbots die Zukunft des eCommerce?

– Gastbeitrag von Maximilian Soltner – 

Mit der Öffnung des Facebook Messengers für Entwickler und Drittanbieter wurde  ein Thema an die Öffentlichkeit gegeben, welches die Tech-Spatzen schon lange von den Dächern pfiffen: Die nächste große Revolution im Umgang mit Technologie ist nicht noch besser, schöner und schneller als Interfaces, Hybrid-Apps oder VR-Brillen; es ist das Chatfenster.

Um auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben, besuche ich gerne das Portal Producthunt. Täglich werden hier von digitalen Tüftlern die neuesten Apps, Geschäftsideen und Websites präsentiert und bewertet. Und würde ich hier surfen, könnte ich meinen Chat-Applikationen beherrschen große Teile der Welt, so viele Beispiele davon werden hier täglich hochgeladen. Alle unterstützt durch Computerintelligenz, sogenannten Chatbots.

Was ist ein Chatbot und was kann er?

Chatbots sind Programme, mit denen man sich unterhalten kann. Sie verstehen (mal mehr, mal weniger gut), was man ihnen sagt und geben sinngemäß Antworten. Auf der anderen Seite erledigen sie anhand der Angaben gewisse Aufgaben.

Ein besonders intelligenter Chatbot könnte z. B. auf die Frage „Was ist der Sinn des Lebens?“ das gesamte Internet nach der Antwort durchforsten, um irgendwann mit der Antwort „42“ aufzuwarten.

Und seit dem großen Facebook Messenger Knall auf der f8 trauen sich auch bekannte Brands an die Thematik. So kann man bald per Chat bei einem Burger King seiner Wahl per Chat bestellen, wie dieses Demo-Video zeigt:

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Oder bereits heute ein Uber zu sich holen (zumindest in den USA):

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Andere Chatbots sind Bibliothekare, wie der von Techcrunch, der auf Chat-Befehl die passenden Inhalte ausspuckt. Den kann man sogar schon in Deutschland ausprobieren.

Zyniker könnten sagen: „Burger und Taxis bestellen oder einen Feed abonnieren kann ich auch ohne Chatbots.“ Das stimmt natürlich, doch erstens war die Eingabe selten so einfach, da die Konversation mit einem Gegenüber uns recht simpel von der Hand geht. Und zweitens sind dies erst die ersten, einfachen Vertreter einer ganz neuen Gattung von Anwendungen. Man erinnere sich: Die erste Website der Welt war im Vergleich zu heute auch kein Funktionswunder.

Schöne neue Welt also? Vielleicht. Denn sich mit einem Menschen zu unterhalten, stellt einen Computer vor wohl eines der größten Probleme seiner bisherigen Geschichte. Denn Sprache ist so voller Doppeldeutigkeiten, Nuancen und Ungenauigkeiten – ganz anders als das gewohnte I/ O – dass es für ein Programm bisher nahezu unmöglich ist, diese in Gänze korrekt zu erfassen und richtig zu interpretieren.

Die Geburt des Conversational Commerce

Doch zum Glück gibt es da ja auch noch einen weiteren Baustein in unserer heutigen Gesellschaft: den Menschen. Gemeinsam mit menschlichen Kollegen ist der hiesige Bot gewappnet, sich der Welt der Nutzer und Kunden zu stellen. Zumindest es das die Erfahrung, die wir mit unserem Startup gemacht haben.

Wenn Menschen im Chat auf Angebote von Unternehmen treffen und sie auch gleich nutzen, nennt man das Conversational Commerce. Geprägt hat diesen Begriff erst Anfang 2016 Chris Messina, der Erfinder des Hashtags, in seinem Eintrag auf Medium, in dem er auch gleich viele schlaue Gedanken dazu zum Besten gibt.

Erfahrungen aus der Praxis des Conversational Commerce

Mit unserem Startup haben wir nun schon einiges erlebt, viele Nutzer bedient und gelernt, wo Stärken, wo Schwächen und wo die größten Potentiale von Conversational Commerce und Chatbots liegen.

Ich möchte unsere Learnings gerne mit Euch teilen:

1. Chatbots haben einen langen Weg vor sich

So schön diese ganze Welt der automatisierten Kommunikation klingt, hat sie doch noch einiges zu lernen. Man erinnere sich nur an das Desaster, das Microsofts selbstlernender Chatbot „Tay“ auf Twitter erlebt hat. Innerhalb kürzester Zeit wurden dem Bot rechtsextreme, rassistische und andere Werte beigebracht, die er fröhlich in die Welt posaunte, bevor er „nach so vielen Gesprächen schlafen“ ging und offline genommen wurde.

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Und auch wenn Voice-Bots wie Siri, Google Now oder Cortana nur entfernte Cousinen von Chatbots sind, ist es trotzdem schwierig nicht zu schmunzeln, wenn man versucht, sie miteinander kommunizieren zu lassen, wie in diesem Video.

Was ebenfalls schwer ist für Gewohnheitstiere sind Bots: Nutzer fragen kaum zweimal das Gleiche. Und vor allem nicht in der selben Form. Beispiele gefällig?
Aus unserem Alltag:

  • Meine Familie und ich wollen ab dem 17.6. für 2 Wochen nach Mallorca, min. 3*, Halbpension, nah am Meer – ah und unser Boxer muss mit.
  • Suche Urlaub am Strand, kannst Du helfen?
  • Muss ins Warme, wenns geht Balearen, mit 2 Kindern und Hund.
  • Hi, einer da?

Wie andere Startups bauen auch wir unseren eigenen Chatbot. Doch wir haben schnell gemerkt: Ohne die Unterstützung von Mitarbeitern wäre ein solcher Bot komplett aufgeschmissen. Lies die oberen Anfragen mal Siri vor, die weiß, was ich meine.

2. Nutzer schätzen persönlichen Kontakt

Einige der Dinge, die Nutzer am meisten an einem Chat schätzen: Sie werden von einem Menschen beraten. Natürlich kann ein Bot Teile der Unterhaltung übernehmen. Aber auf der anderen Seite sitzt am Ende jemand mit gesundem Menschenverstand, der weiß, was ich meine, wenn ich ein „gemütliches Hotel“, eine objektive Einschätzung oder seine persönliche Meinung wissen möchte.

3. Aufwand ist nicht zu unterschätzen

Dieser Weg birgt die Gefahr, sehr viele menschliche Ressourcen zu benötigen. Das musste nicht zuletzt GoButler öffentlichkeitswirksam erfahren. Unser Ansatz und der anderer Startups in diesem Gebiet ist daher ein Hybrid-Modell. Mensch und Bot unterstützen sich gegenseitig, um das für den Nutzer beste Ergebnis und dem Unternehmen die größtmögliche Effizienz zu gewährleisten.

4. Response Rates sind enorm

Die Öffnungsrate bei Newslettern liegt in Deutschland branchenübergreifend bei ca. 25%. Darüber würde ein Messenger nur lachen, wenn er lachen könnte. Gemessen an den Antworten, die wir von unseren Nutzern erhalten, liegt die Öffnungsrate unserer Messages deutlich über 90%. Ähnlich hoch ist die Antwortrate.

Aber klar, Messenger werden (zum Glück) noch nicht wirklich zu Werbezwecken verwendet, sodass die Akzeptanz für Kommunikation mit einer Band, die einen Mehrwert bietet, sehr hoch ist. Ob sich das in Zukunft ändern wird, bleibt abzuwarten. Belegbare Zahlen gibt es hierzu allerdings noch nicht.

5. Starke Conversion Rates

Auch die Conversion Rate pro Nutzer ist deutlich höher als im Netz. Das kann man allein schon an Ergebnissen von Chatunterstützung für Websites beobachten. So konnte z. B. HelloMD, ein Startup, das sich mit Cannabis für medizinische Zwecke (wirklich jetzt) beschäftigt, seine Conversion Rate auf der Website verdreifachen, indem sie ihren Nutzern die Möglichkeit geben, per Website-Chat Rückfragen zu stellen. Auch Mobile Commerce Daily geht davon aus, dass der z. B. der Facebook Messenger endlich dafür sorgen könnte, die Conversions auf Mobilgeräten in die Höhe zu treiben.

Mögliche Gründe: Ein menschlicher Kontakt lässt sich nicht so einfach auf einen Service verlassen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass auch Du schonmal etwas gekauft hast, was Du nicht gekauft hättest, wenn der Verkäufer sich nicht so viel Mühe gegeben hätte. Aber auch Unsicherheiten können mit einer einfachen Nachricht geklärt werden, wo im Shop vielleicht ein Abbruch passiert wäre. Außerdem erhöht der Zuspruch eines Menschen die Sicherheit, das Richtige zu tun.

Fazit: Chatbots können viel, aber nicht alles

Es wird immer schwer bleiben, Nutzer mit einer reinen Chatbot-Lösung zufriedenzustellen. Immer dann nämlich, wenn es nicht um klare Ansagen, Ja oder Nein, 1 oder 0, Gelb oder Rot, geht.

Viele – auch wir – entscheiden sich daher für ein Hybrid-Modell, das Mensch und Maschine vereint. Der Chatbot kann den Menschen mit der Aufnahme und Verarbeitung klarer Informationen entlasten. Der Mensch kann der Maschine bei Unklarheit auf die Sprünge helfen, die Angaben des Nutzers richtig zu verstehen.

Denn bis Bots dies in einer Weise können, die Menschen überflüssig macht, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Und wenn es soweit ist, sichere ich mir einen großen Batzen Skynet-Aktien.

Und was haben wir selbst aus 18 Monaten Conversational Commerce gelernt? Der neue Kanal schreibt seine eigenen Gesetze. Nutzer schreiben eher mit Marken wie mit einem guten Freund, als mit einem Unternehmen, das einen Service anbietet. Das lässt uns auf einer ganz anderen Ebene mit ihnen kommunizieren und eine ganz andere Beziehung aufbauen.

Allerdings erwarten sie auch einen ähnlichen Umgang mit ihnen selbst. Ein Umgang, den ein Chat-Bot allein so nicht liefern könnte. Auch wir arbeiten mit Hochdruck daran, unsere Nutzer mit smartem Einsatz von Bots zu unterstützen. Doch dabei muss man behutsam auf die Reaktionen der Nutzer Acht geben. Wenn diese das Gefühl haben mit einem Anrufbeantworter zu sprechen, ist das User-Erlebnis dahin.

Über den Autor:

maximilian-soltnerMaximilian Soltner ist Mitgründer und Geschäftsführer vom Travel Homie, dem ersten Reiseberater über Messenger. Hier helfen Reise-Experten bei Fragen wie „Wo kann ich im Mai günstig an den Strand“ oder „Ich muss zu einer Messe am 17.07. günstig nach Berlin“. Im Hintergrund unterstützt sie dabei eine selbstlernende Recommendation Engine. Der Travel Homie ist jederzeit über Facebook. oder sogar WhatsApp (01523 722 0 600) erreichbar.“

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