Social Media Customer Service – Menschliche Fragen brauchen keine automatisierten Antworten

– Gastbeitrag von Sarah Thurow –

Immer noch sind zahlreiche Unternehmen auf der Suche nach Antworten, wenn es um realistische Erwartungen an und effizienten Umgang mit online basierten Kundenkanälen geht.

Bis vor einigen Jahren hielt sich hartnäckig der Gedanke, dass mit dem Einsatz von Social Customer Care ein Skalierungseffekt der Kontakte im Service stattfinden könnte. Unternehmen erhofften sich, durch die Reichweite der öffentlich verfügbaren Informationen eine Reduktion der Standard-Anfragen in Callcentern und Backoffice-Abteilungen.

Die erhoffte Einsparung blieb jedoch aus. Denn nach Jahren der Automatisierung und Contact-Deflection brachte das Öffnen der Social Media Kanäle den gegenteiligen Effekt: Die servicehungrigen Kunden, denen über Jahre die unkomplizierte Kontaktaufnahme mit den Unternehmen verwehrt wurden, überfielen sie auf unrestriktiven Kanälen wie Facebook mit Anfragen.

Die Grund liegt nahe: der Social Customer Care bietet Usern einen leicht erreichbaren, direkten Kontaktkanal zu echten Menschen – und das ist es, was Kunden über Jahre vermisst hatten.

Social Customer Care ist eine Frage der Unternehmenskultur

Wenn Customer Care in den Social Media Netzwerken stattfindet, ist das nicht immer angenehm für das Unternehmen. Kundenbeschwerden werden öffentlich diskutiert, weshalb sie schnell Verbreitung und weitere Anhänger findet. Obwohl der öffentliche Dialog im Beschwerdefall schon einmal ungemütlich werden kann, profitieren Unternehmen von der Reichweite des Social Customer Cares. Lösungsbereitschaft wird öffentlich demonstriert und das transparente Vorgehen den handelnden Unternehmen als Pluspunkt zugeschrieben. Das wiederum stärkt das Vertrauen von Interessenten und Kunden.

Dennoch zögern viele Unternehmen, wenn es darum geht, ihre Serviceprozesse einem breiten Publikum zur Schau zu stellen. Diese Skepsis ist durchaus auch berechtigt. Nicht jede Unternehmenskultur verträgt es, seinen Kritikern in aller Öffentlichkeit entgegenzutreten.

Wir erinnern uns an die ersten Woche der „Weil wir Dich lieben“ Kampagne der BVG. Während in den On- und Offline-Medien als Reaktion der Shitstorm tobte, blieben die Mitarbeiter ihrer Idee treu und hielten durch. Zuletzt wurde die charmante und kreative Kampagne durch Unterstützung aus der Fanbase belohnt.

Mittlerweile werden über die Social Media Kanäle des Unternehmens täglich eine Vielzahl an Serviceanfragen und Beschwerden behandelt.
Die Devise: Entschuldigungen gibt es nur für Selbstverschuldetes, Information und humorvolle Reaktionen für alles andere.

Welches Unternehmen hätte diesen massiven Mediendruck und den ausufernden Shitstorm ertragen? Die Frage, ob das eigene Unternehmen Social Customer Care anbietet, hat also mehr mit dem Mindset und weniger mit den Themen zu tun.

Social Customer Care ist (k)eine Frage der Plattform

Ob es sich nun um die schnelle Reaktion auf eine Kundenanfrage auf der Profil Seite handelt, den Kundendialog mit Servicemitarbeitern im Messenger, oder auch die Unterhaltung mit mehr oder weniger intelligenten Chatbots, wenn es nach Facebook geht, findet Customer Care zweifelsfrei auf der eigenen Fanpage statt. Die weite Verbreitung der Social Media Plattform und der gelernte Umgang der Kunden mit der Applikation lässt zahlreiche, unkomplizierte Servicemodelle zu.

Facebook arbeitet bereits seit einigen Jahren intensiv daran, den Dialog zwischen Kunden und Unternehmen zu vereinfachen. Die Einführung von Messenger Codes zur unkomplizierteren Kontaktaufnahme, automatisierte Antwortbausteine und die Einbindung von virtuellen Assistenten bieten Unternehmen vielfältige Möglichkeiten, den Facebook Messenger als direkten Servicekanal zu nutzen.

Es gibt allerdings alternative Plattformen, die ebenfalls ideale Bedingungen für Social Customer Care bereitstellen. Auch auf Twitter geht die Kommunikation rasch vonstatten, wenngleich die Anzahl der aktiven User wesentlich geringer ist, als auf dem Konkurrenzportal. Die generelle Beschränkung von 140 Zeichen setzt komplexeren Anfragen keine Schranken, denn diese entfällt im persönlichen Austausch. Einfach ein @ Zeichen vor den Zielkontakt und das Anliegen setzen (wie z.B @Telekom_hilft) und die Nachricht findet schnell und unkompliziert den direkten Weg.

KLM geht sein Jahren mit guten Beispiel voran, wenn es um exzellenten Social Customer Care und schnelle Reaktionszeiten auf Kundenanliegen geht.
Mittlerweile sind bereits zahlreiche Unternehmen nachgezogen und haben die Qualitäten der Plattform für ihren Kundenservice erkannt.

WhatsApp ist der optimale Dienst, um mit Kunden heiklere oder vertrauliche Anfragen zu lösen und individuelle Gespräche zu führen. Ein weiterer Vorteil, den viele Unternehmen schätzen: Die Gespräche werden dabei nicht für ewig auffindbar im Internet verewigt. Der Ablauf ist simple und die Kommunikation individuell.
Wie die Vernetzung mit den Usern funktioniert, zeigt Österreichs beliebtester Radiosender Ö3.

So schön das klingt, ein Wermutstropfen bleibt. Rechtlich steht die kommerzielle Nutzung noch auf wackligen Beinen, da WhatsApp laut Nutzungsbedingungen die Verwendung des Kanals für Marketingzwecke allenfalls “gestattet”, aber nicht ausdrücklich erlaubt. Wer also auf Nummer Sicher gehen möchte, ist auf WhatsApp für seine Kunden da, unterlässt aber eine offensiv werbliche Ansprache.

Generell gilt: Sobald persönliche Daten benötigt werden, der Vorgang kritisch ist, heikle und sensible Angelegenheiten des Kunden thematisiert werden, oder die Situation eine individuelle Einzelfallentscheidung erfordert, hat die Konversation im öffentlichen Bereich einer Plattform nichts mehr verloren.
In diesen Situationen sollte man den Kunden bitten, auf private Messages auszuweichen, bzw. per E-Mail oder Chat Kontakt aufzunehmen

Social Customer Care ist eine Frage der Organisation

Wollen Unternehmen Social Customer Care effizient nutzen, müssen sie sich in den Serviceorganisationen neuen, andersartigen Herausforderungen stellen.

  1. Wie kann ein kanalübergreifender Serviceprozess aussehen?
  2. Wie soll das Community Management Konzept aufgesetzt werden?
  3. Welche Möglichkeiten zur Vereinfachung der Abläufe stehen zur Verfügung?

1. Kanalübergreifender Service

Das wichtigste technische Element stellt hier das CRM System dar. Denn während E-Mails und Calls der Kunden hier zumeist lückenlos erfasst werden können, lässt die zuverlässige Historisierung der Kundenkontakte via Social Media in den meisten Unternehmen noch zu wünschen übrig.
Zum einen liegt das an veralteten CRM Systemen, andererseits an enormen Integrationsaufwänden, oder mangelnder Datenqualität.
Dennoch lohnt sich hier die Investition. Kunden nutzen viele Kontaktkanäle synchron und Unternehmen sollten ihnen optimale Customer Experience bieten, indem bei jedem Kontakt alle Informationen auf Knopfdruck parat stehen.

2. Das Community Management Konzept

Welche Kundenanfragen sind besonders wertvoll? Wo lohnt es sich, die Antwort charmant vor dem Publikum zu inszenieren? Ein durchdachtes Community Management Konzept sollte auch eine Kategorisierung der Anfragen beinhalten.
So können z.B. wertschöpfende Kontaktaufnahmen, wie potentielle Käufe oder Reaktionen auf Serviceerlebnis-Darstellungen ruhig mehr Zeit kosten, denn letztlich ist die Transparenz dieser Dialoge positive Werbung für das Unternehmen.
Dem gegenüber stehen die sogenannten Waste Contacts. Dieser despektierliche Begriff bezeichnet in der Servicewelt jene Anfragen, die ausschließlich Ressourcen (also Mitarbeiter, Zeit und Geld) verbrauchen, ohne Nutzen zu stiften. Generell gilt: Die Waste Contacts sollten mit Hilfe von gut verfügbaren Informationen auf der Website, FAQs, Tutorials und anderen Hilfsmitteln soweit minimiert werden, dass die Mitarbeiter sich um die wertschöpfenden Kontakte kümmern können.
Social Media kann hier natürlich optimal eingesetzt werden: Tutorials und Anleitungen erreichen eine große Kundengruppe. Gut inszenierte Servicedialoge werden von vielen mitgelesen und unterstützen das Markenimage.

3. Vereinfachung der Abläufe

Soll Service ernsthaft und effizient auf Social Media betrieben werden, so kommt man als Unternehmen um den Einsatz eines professionellen Tools nicht herum. Neben klassischen Redaktionsagenden, bieten viele Anbieter mittlerweile sinnvolle Features wie Smart Rules, Monitoring, Analysen, Reporting und gleichzeitig Historisierung sowie Archivierung der Kundenkommentare. Gleichzeitig können sie sicherstellen, dass eingehende Anfragen automatisch bei demjenigen Kollegen im Team landen, der am besten darauf antworten kann, ohne aufwändiges Nachfragen.

Social Customer Care ist eine Frage der Krisenfestigkeit

Was aber, wenn einmal etwas schief geht? Kein Unternehmen ist davor geschützt, eine Medienkrise oder gar einen Shitstorm zu erleiden.
Idealerweise hat das Unternehmen bereits einen Notfallplan in der Schublade, der sofort ins Rollen kommt. Für eine Krise, die sich bereits in den Social Media Netzwerken ausbreitet gilt es, strukturiert und besonnen vorzugehen:

  1. Klare, sachliche Mitteilungen an die Community verfassen
  2. Spezielle Ansprechpartner und Infos für Medien und Journalisten zur Verfügung stellen
  3. Angriffe und Postings sammeln, kategorisieren und bei der Antwort auf differenzierte Kommunikation achten
  4. Mitarbeiter im Unternehmen informieren
  5. Dialoge moderieren, anstatt zu diskutieren
  6. Auf den Umgangston achten und bei Bedarf eingreifen
  7. Eventuell Rechtsberatung hinzuziehen
  8. Dokumentation der Aktionen und Reaktionen

Eine hilfreiche Lektüre bietet die Agentur ambuzzador auf Ihrer Seite zum Download an: How to survive a shitstorm

Social Customer Care ist eine Frage des richtigen Zugangs

Der reaktive Kundenservice sollte bereits zum Standardprogramm eines jeden gut aufgestellten Unternehmen gehören. Wer sich aber wirklich serviceorientiert präsentieren möchte, geht einen Schritt weiter und überrascht mit proaktivem Customer Service. Nur weil man als Unternehmen nicht direkt über die firmeneigenen Kanäle angesprochen wird, heißt das nicht, dass Kunden im Netz nicht über das Unternehmen und das Produktportfolio reden. Um hier Support leisten zu können, müssen Servicefragen und Kundenfeedback jedoch erst einmal aufgespürt werden. Das geht nur mit Hilfe eines professionellen Social Media Monitorings verschiedener Keywords, das möglichst in Echtzeit erfolgen sollte, bevor eine kleine Kritik große Wellen hervorruft.

Social Customer Care antwortet mit Menschlichkeit

Letztlich zeigt sich jedoch, dass gerade im Bereich des Social Customer Cares wieder Menschen im Mittelpunkt der Kommunikation stehen. Der zunehmende Trend zur Automatisierung und zum SelfService bringt, auch wenn es im ersten Moment widersprüchlich erscheint, gleichzeitig einen Trend zu mehr menschlicher Kommunikation in den neuen Medien mit sich.

So werden die Serviceorganisationen auch weiterhin ambitionierte MitarbeiterInnen benötigen, um die Bedürfnisse der Kunden zu bedienen. Mittelfristig braucht es daher kein Bangen um Servicejobs zu geben. Unternehmen müssen jedoch im Gegenzug dafür sorgen, dass die Prozesse alle Kanäle umfassen, um statt Kundenfrust Kundenlust zu erzeugen. Auch für die eigentlichen Helden der Social Media Welt, die tagtäglich zum Wohle der User im Einsatz sind.

Image Credits: limbi007 @ depositphotos.com

Sarah Thurow
Sarah Thurow
Die Juristin hat graue Kanzleiräumlichkeiten gegen bunte Marketingvielfalt im online Kosmos eingetauscht und surft nun für SocialHub durch das World Wide Web, anstatt sich für Klienten vor Gericht zu streiten. Am liebsten dort, wo das Thermometer gerade 25 Grad übersteigt. Um aber in Sachen Social Media und Community Management trotzdem immer einen kühlen Kopf zu bewahren, schmökert sie gerne in ihrem Lieblingsmagazin, dem SocialHub Mag.

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1 Kommentar

  1. Toller Artikel mit hilfreichen Anregungen und guter Zusammenfassung. „Die Devise: Entschuldigungen gibt es nur für Selbstverschuldetes, Information und humorvolle Reaktionen für alles andere.“ sehe ich genau so.
    Bei uns in der Firma betreiben wir schon immer einen sehr guten und personenorientierten „Customer Care“ Service – und nun erwarten die Kunden das von uns auch in den Sozialen Medien. Das fordert mich als Social Media Mangerin (die vom Content- bis zum Community Management alles in Personalunion erledigt) auf eine ganz besondere Weise. Da kann es schon mal vorkommen, dass ich Samstag Abend Erste Hilfe bei der Bedienung eines unserer Elektrogeräte leiste, weil jemand auf Facebook explizit danach fragt. Wir nehmen immer den Menschen am anderen Ende in den Fokus (was nicht immer leicht ist … da gibt es echt anstrengende und unverschämte Zeitgenossen!), aber am Ende zahlt es sich aus. Für unsere Kunden, für Interessenten, für das eigene Ego und für das Firmenimage unseres mittelständischen Unternehmens. Und dass eine extremere Kundenausrichtung nicht so falsch sein kann, das zeigt uns schließlich der Erfolg von Amazon … :)
    Apropos Amazon. Obwohl wir dort nur indirekt verkaufen, kümmern wir uns auch dort direkt um Fragen zu unseren Produkten und nehmen Stellung zu Bewertungen, die schlechter als 3 Sterne sind. Oft können wir weiterhelfen, denn schlechte Bewertungen sind häufig die Folge von Unwissenheit, Unvermögen oder einem Missverständnis. Hey – das macht nicht immer Spaß, soll aber nach außen zeigen, dass wir jeden unserer Kunden ernst nehmen und wertschätzen. Digital & menschlich schließen sich also keinesfalls aus..
    In diesem Sinne
    herzliche Grüße Karin Lechner

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