I got 99 problems but organic reach ain’t one – Gastbeitrag

– Gastbeitrag von Klaus Breyer –

[tweetable]Das Problem, wie Facebook betrieben wird, ist nicht der sinkende Organic Reach[/tweetable] – sondern etwas ganz anderes. Und damit meine ich jetzt nicht, dass gute Inhalte wichtiger sind, als um likes zu betteln. Gute Inhalte setze ich voraus. Nein – eigentlich haben wir doch ganz andere Herausforderungen.

Ein Post muss gar nicht alle Fans erreichen.

Die erste Stufe der Erleuchtung haben wir schon erreicht: Wir haben erkannt, dass Fans alleine nichts bringen. Fans kann man einkaufen oder durch Gewinnspiele generieren, aber dadurch entsteht nicht mehr Umsatz. Nein, wir wissen jetzt: Fans müssen sich für die Marke interessieren.

Infolgedessen wurde Reichweite und Engagement plötzlich en vouge. Jetzt wird versucht, das letzte Quentchen „Reach“ rauszuquetschen. Leider wird dies ziemlich monolithisch gemacht. Es werden Inhalte für Fanpages erstellt und dann müssen diese von möglichst vielen Menschen gesehen werden. Wie bei TV Spots.

Hier, das ist unsere neue Mittelklasse-Limousine. Sie hat neue Rückleuchten, verbraucht weniger Sprit und vermittelt dir trotzdem noch mehr Freiheitsgefühl – Kauf! Autohersteller im TV

Im TV funktioniert das. Und da gibt es, zumindest momentan, keine andere Möglichkeit, als einen einzigen Inhalt möglichst gut und möglichst oft zu zeigen. Aber in Facebook gibt es bessere Möglichkeiten, als eine Fanpage für eine solche Top-Down-Kommunikation zu “missbrauchen”.

Und jetzt kommen wir zu meinem kleines Geheimnis: Nur, weil sich Fans für eine Marke interessieren, interessieren sie sich nicht für jeden einzelnen Inhalt.

Ein Post muss die richtigen Fans erreichen!

Ein Facebook Post muss seine Botschaft gar nicht an möglichst viele Fans herantragen. Viel wichtiger ist, die Botschaft an die richtigen Fans zum richtigen Zeitpunkt zu bringen. Denn es ist doch so: Jeder Fan hat eine andere Beziehung zu der Marke und seine eigenen Bedürfnisse, wie er interagieren möchte. Deshalb braucht gar nicht jeder Fan auch jeden Inhalt zu sehen.

Wir haben in Facebook so wahnsinnig viele Möglichkeiten, unsere Posts direkt an die richtigen Nutzer auszuspielen. Niemand braucht ein Sonderangebot, wenn er sich das Produkt gerade gekauft hat. Stattdessen benötigt er aber vielleicht einen guten Kundenservice. Oder jemanden, der sich ansonsten für Breitling interessiert, möchte vielleicht lieber Inhalte über Wellness Hotels als von Jugendherbergen sehen.

Oh, du interessierst dich für Corporate Social Responsibility und wohnst in Berlin? Wir haben hier diese Studie zu unserem ökologischen Fußabdruck und suchen übrigens gerade genau nach neuen Mitarbeitern, die genau wie du Software Engineering studiert haben! Startup in Facebook

Um jedem Fan den richtigen Inhalt zur Verfügung zu stellen, muss natürlich ein gewisser Aufwand vorausgehen. Eine Customer Journey, Sinus-Milieus oder eine Service Blueprints geben dafür gute Anhaltspunkte. Ein bestehendes und funktionierendes Customer Relationship Management ist natürlich perfekt. So können wir Menschen in Facebook aktivieren, mit denen wir bereits Kontakt hatten.

Mit Produkten wie den Website Custom Audiences können wir gezielt Menschen ansprechen, die bereits auf der Website waren.

Oh, du hast dir gestern einen Flug nach New York angeschaut aber nicht gebucht. Schau doch mal, heute sind alle Flüge in die USA 30 % günstiger! Airline in Facebook

Die Königsklasse ist natürlich, dass wir unseren Segmentierungen jeweils noch einen monetären Wert zuordnen. Diese Disziplin nennt sich Multi Touch Attribution (MTA) und hat ihren Ursprung im Performance Marketing. MTA wird sogar im Börsenbericht von Facebook erwähnt und funktioniert vor allem bei elektronischen Geschäftsmodellen. Amerikanische Ad Tech Unternehmen wie Kenshoo setzen MTA bereits sehr erfolgreich in Facebook ein.

Ein digitales Geschäftsmodell bietet hier viele Vorteile. Aber auch ohne einen direkten Rückkanal können wir viel experimentieren. Zum Beispiel mit Targeting und gezielter Ansprache.

Höherer Organic Reach ≙Schlechtere User Experience

Um das Ganze von einer anderen Seite aus zu betrachten: Nehmen wir  an, dass der Organic Reach erhöht wird. Dann heißt das im Umkehrschluss, dass jedem Nutzer mehr Werbung ausgeliefert wird. Das allerdings würde den wenigsten Nutzern gefallen und sie würden Facebook über kurz oder lang verlassen.

Facebook hat ein ureigenes Interesse daran, dass die Nutzer auf der Plattform bleiben. Und auch, dass sie möglichst lange bleiben. Und die Marketer ebenso. Wenn ein Nutzer nur hochwertige Inhalte zu sehen bekommt, dann wird er sie eher konsumieren. Und, mal ganz nebenbei: Warum sollten wir für Reichweite unserer Inhalte bezahlen, wenn der Nutzer sich ohnehin nicht dafür interessiert.

Die neuen KPI sind doch auch die alten KPI.

An welchem Punkt haben wir eigentlich aufgehört, darüber nachzudenken, wofür wir Facebook überhaupt verwenden? Wir machen das doch, um Schokolade zu verkaufen, um Zuschauer in Kinofilme zu bringen oder um Flugzeuge mit Menschen zu befüllen – Und das können wir jetzt noch besser als je zuvor.

Wir müssen uns dabei nur öfter bewusst werden, dass wir nicht nur den einen Käufer haben, für den wir damals die TV-Spots gemacht haben, sondern dass wir ganz viele verschiedene Käufer haben, die alle an einem anderen Punkt im Kauf-Prozess stehen. Und genau dort müssen sie mit dem richtigen Inhalt angesprochen werden.

Facebook ist ein sehr gut dafür zu nutzender Kanal. Aber nicht der Einzige.

Klaus Breyer
Klaus Breyerhttp://klaus-breyer.de
Gründer und Geschäftsführer der buddybrand GmbH, dort verantwortlich für Technologien und Prozesse. Als Social Media Agentur entwickelt buddybrand digitale Marken- und Kommunikationsstrategien, kreiert Inhalte und Kampagnen, und schafft internes Verständnis und Strukturen für internationale Markenunternehmen wie ŠKODA International, Wilkinson, Heineken, Helvetia Versicherung oder Storck. Von der Strategieentwicklung über die Konzeption bis zur konkreten Umsetzung arbeitet, leidet und feiert das 35-köpfiges Team zusammen.

Neueste Artikel

Weekly Newsletter abonnieren. Kostenlos. Jederzeit kündbar!

Ähnliche Artikel

2 Kommentare

  1. Das Problem ist, dass der Kunde in der Regel für eine Reach X bezahlt. Genau wie beim TV oder beim Radio. Für none-power-user ist die Reach der einzige Faktor zur Bewertung des Erfolgs einer Kampagne. Wenn ein BEitrag mit 2k Likes plötzlich nur noch eine Reach von 20k hat, obwohl er vorher eine Reach von 250k gehabt hätte – ist das in meinen AUgen schon ein größeres Problem. Bei dem Beitrag wird vergessen, dass 30-60% der Likes oft von Stamm-Likern sind & nicht etwas von einem explizitem Publikum, dass sich für den Artikel/Post interessiert. DIese Gruppe war vorher zum Seeden extrem wichtig & wird einem jetzt als „qualitative Zeilgruppe“ der geringen Reach verkauft.
    Mir will doch keienr erzählen, dass in einer 20k Reach mehr Qualität, als in einer 250k Reach ist. Mal ganz davon abgesehn, dass unqualitative Likes den Post zu weiteren qualitativen Likes bzw. qualitativem Publikum weiterseeden.

    Ganz abseits von dem Artikel halte ich es für viel wichtiger über Möglichkeiten zu reden, mit denne man die Reach halten kann.
    Nicht wenige Seite von uns haben nachdem Update ein Reach-Zuwachs erhalten. Mittlerweile sollte ja jeder gemerkt haben , dass Facebook lediglich hingeht & Keywords aus den Posts zieht & diese zur Reachberechnung benutzt.
    Bei der Verwendung bzw VErmeidung gewisser Keywords ist eine Reach von 80% locker möglich. Ganz unabhängig vom Community-Engagement.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein