– Gastbeitrag von Thomas Meyer –
Finden. Dieses Wort erlebt seit Jahren eine Hyper-Renaissance. Man will gefunden werden. Schnell und ohne Umwege. Egal ob Privatperson (ok, es gibt ein paar Verhüllungskünstler, die sich auf mega mystery „verstecken“) oder Unternehmen – jeder will es. ERSTE Seite auf Google – die Web-Droge des 21. Jahrhunderts. Crystal Meth für uns Online-Junkies. Und wir sprechen hier natürlich nicht nur von Google – SEO/SEA everywhere…
Ich möchte auch gefunden werden. Klar, das gehört irgendwie zum Geschäft.
Doch einmal pro Jahr verschwinde ich und versuche mich selbst zu finden.
Einmal im Jahr gehe ich nämlich für eine Woche ins Kloster. Kein Scherz.
Klar ist das auch ein bisschen Hippie. Oder Hipster. Oder halt einfach irre. Aber es ist so. Eine Woche lang gebe ich dem greisen, kahlköpfigen Mönch am Empfang all meine persönlichen Sachen ab und schlüpfe in die Rolle eines Geistes – denn der bin ich dort. Dort lebe ich dann, gefangen in meinen Gedanken – ohne Handy, ohne Netflix und ohne Facebook.
Bei meinem letzten Besuch, gekleidet in eine traditionelle Mönchskutte und im Garten Karotten erntend, dachte ich viel über die Begriffe Suchen und Finden nach. Und vor allem über die Veränderung der zugrunde liegenden Idee – der immanenten Bedeutung für uns. Denn so oft hat ja gerade das Bindeglied zwischen Suchen und Finden – nämlich das „Verstecken“ oder „Verzögern“- eine viel größere Bedeutung. Das Finden ist nur das Resultat aus dem Verstecken und bringt in den meisten Fällen ein positives, ja fast magisches Gefühl mit sich. Wenn ich was lange suche und dann finde, ist das Gefühl beim Finden doch immer großartig. Diese Befriedigung, ES ENDLICH GEFUNDEN ZU HABEN. Egal ob die süße Frau, die ich im Club getroffen hab und dann zu Hause versuche, sie alkoholisiert und mega motiviert auf Facebook wiederzufinden, den Song, den ich letztens im Auto gehört hab und mir nur diese eine Textzeile merken konnte oder eine Socke in der Waschmaschine. Ganz im Gegenteil zum sofortigen Finden – das in Wirklichkeit vielleicht ein kurzfristiges „Überrascht sein“ aber eigentlich völlig ungeile Gefühle hervorbringt.
Ich war immer mega enttäuscht, wenn meine Eltern die Ostereier im Garten ZU EINFACH versteckt haben – und ich die Nester gleich gefunden hab. Mann, war das Kacke. Ich war also schon immer Verzögerungsgenießer. Und ich bin damit wohl nicht allein…
Nochmal – es turnt ab, gleich ans Ziel zu kommen. Die Verzögerung ist das, was den Kunden fesselt…
Also, was könnte das für unsere Online-Strategie bedeuten…?
Wie könnten wir diese Magie des Findens verbunden mit dem Weg dorthin für unser Produkt oder unsere Dienstleistung nutzen?
Ich denke die Antwort ist „Social“. Weg vom statischen, anonymisierten- hin zum Sozialen.Und zwar nicht nur online – sondern auch offline – in der crazy Realität.
Die Zeit wird kommen, in der Social wirklich wieder sozial bedeutet. Hin zum Menschen – hin zur Authentizität. Und wenn ich das sage, dann nicht, weil ich high bin – sondern weil der Mensch sich nach Menschlichkeit sehnt. Tief im Inneren mag er menschliche Kontakte, das „Grüß Gott“, wenn er einen Laden betritt oder den vertrauten Händedruck nach einem Geschäftsabschluss oder eben die personalisierte Anrede im Social Community Management – und das Spiel. Genau hier sollten wir ansetzen – denn wir können ihm beides geben.
Live bzw. im eindimensionalen, direkten Kontakt den Need erzeugen (egal über welches Medium) und ihn dann auf die Suche schicken – mit Absicht umgeleitet. Mit Absicht auf sich allein gestellt. Vielleicht mit ein paar Tipps. Einer teasernden FB-Page. Einer vorgelagerten Instagram-Kampagne. Einem erklärenden YouTube-Video. Einem Pfad. Einer Route. Die imaginäre Hand, an der wir unseren Kunden nehmen und zu uns führen. Nicht plump auf der Autobahn. Nein, auf Wolken dahinschreitend (nein, ich bin nicht high!).
Erzählt Geschichten. Weckt die Neugier ohne QR-Codes oder 16000 Verlinkungen auf eure Website. Und postet keine plumpen Sales-Posts. Gebt dem gelangweilten Kunden doch die Chance, euch zu entdecken und begleitet ihn im Versteckten. Markentreue PUR!
Verlasst die Arena der besten Suchergebnisse erhobenen Hauptes und sucht die Beziehung zu denen, die enttäuscht wurden – DENKT SOCIAL! Denn die Autobahn hat einen Nachteil: egal wie schnell man ist und wieviel ich investiere – es gibt immer wieder jemanden der noch schneller fährt…
Tja. das wäre eigentlich schon ein gutes Schlusswort gewesen. Aber ich fühle, dass wir noch nicht ganz am Ende sind. Was nehmen wir jetzt mit? Wie könnte das in der Praxis aussehen? Ganz ehrlich: Nein! Denn genau dann wären wir wieder im plumpen „DA MUSST DU HIN!!!!“ – Business. Analysiert eure Community und dann gibt es nur eines: Ausprobieren!
Ich hör jetzt schon die Gegenstimmen – und ja, auch berechtigt. Fehlende Skalierungseffekte. Keine validen Zahlen. Der umkämpfte Markt. Doch gibt uns Social-Marketing nicht genau diesen Raum: Dinge auszuprobieren? Abseits des Mainstreams Chancen zu erkennen und neue Wege zu gehen? Gibt uns Marketing und der von uns ursprünglich erhobene Kreativitätsanspruch nicht genau diese Möglichkeiten, uns neu zu ERfinden?
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Warum tu ich mir schwer das mit dem Kloster zu glauben?
Plumpes Beispiel aber Beyonce macht den Grundgedanken vor. Die stellt ihr neues Video einfach Mal auf nicht sichtbar auf Youtube und ist somit nur über den direkten Link abrufbar. Ob deswegen Unternehmen verwirrende Kampagnen und unsinnige Weiterleitungen einrichten sollten, weiß ich nicht. Um ein Schmunzeln auf die Lippen zu zaubern wäre das ja ganz eignet, um die Frustration bei Kunden zu erhöhen wahrscheinlich auch. Für große Brands ist das so eine Kampagne: „Marketing Budget haben wir genug also pulvern wir das in jeden möglichen Kanal“. Die an zwei Händen abzählbaren Unternehmen können sich das leisten, die anderen werden sich wohl weiterhin an Bedürfnissen orientieren: Was braucht mein Kunde und wie kann ich es ihm schneller, besser und einfacher geben als andere Unternehmen? Der Pain-In-The-Ass, den ein Unternehmen löst, zahlt die Rechnungen, nicht die am kreativsten ausgemalten Bilder.