Nach meiner Erfahrung gehört die Furcht vor Shitstorms mit zu den häufigsten Vorbehalten gegenüber Social Media Marketing. Dabei ist diese Angst vor entrüsteten Nutzern aus meiner Erfahrung zumeist unberechtigt. Erfahrene und geschulte Seitenbetreuer können aus einer regen Diskussion sogar Vorteile ziehen. Natürlich kann es auch passieren, dass Unternehmensfehler angeprangert werden oder eine Plattform gar für eine Entladung von politischen, kulturellen oder persönlichen Spannungen herhalten muss.
Das mag Angst auslösen. Aber auf der letzten AllFacebook-Konferenz äußerten sich z. B. die Teams von MC-Donalds Österreich oder der Telekom, dass ein offener Dialog eine willkommene Einladung zur Lösung von Konflikten und zur Darstellung eigener Kompetenzen sein kann. Ein Shitstorm entwickelt sich dagegen häufig erst dann, wenn kritische Beiträge heimlich gelöscht und Nutzer geblockt oder aus Gruppen entfernt werden.
Dabei sind die Grenzen des sogenannten „Virtuellen Hausrechts“ nicht ganz deutlich. In dem folgenden Beitrag erkläre ich Ihnen daher, worauf Sie in kritischen Situation achten müssen. Damit werden Sie Stresssituationen rechtlich sicher meistern können.
Virtuelles Hausrecht bei negativer Kritik
Auch wenn der erste Instinkt oft der Wunsch nach Löschung negativer Beiträge ist, sollten Sie ihm nicht impulsiv nachgeben. In vielen Fällen werden sie die Nutzer verärgern und „Zensur“-Rufe provozieren. Dies sogar zu Recht, da Sie sich öffentliche Kritik auch innerhalb von Facebook-Seiten gefallen lassen müssen (Hinweis: alles Gesagte gilt genauso für Facebook-Gruppen).
Eine Facebook-Seite gilt als ein gegenüber dem öffentlichen Verkehr geöffneter virtueller Kommunikationsraum. Das heißt, solange die Nutzer nicht gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook oder gegen Gesetze verstoßen, dürfen Sie negative Beiträge nicht entfernen.
Das würde nicht nur gegen Grundrechte der Meinungsfreiheit oder das Gleichbehandlungsgebot verstoßen, sondern könnte sogar wettbewerbsrechtliche Konsequenzen haben. Die Facebook-Seite wirbt öffentlich für Sie und eine Manipulation der dort mitgeteilten Ansichten könnte eine abmahnbare Täuschung der Verbraucher darstellen. Dasselbe gilt auch, wenn Sie Nutzer wegen negativer Kritiken blocken würden.
Virtuelles Hausrecht bei unpassenden Beiträgen
Beiträge können auch belästigend wirken, wenn sie gar nicht zum Thema Ihrer Seite oder Gruppe passen. Eine thematische Einschränkung ist jedoch nur zulässig, wenn sie für die Nutzer von vornherein erkennbar war. Aus diesem Grund haben z. B. Foren Netiquetten und ähnliche Richtlinien, die z. B. Diskussionen zu politischen und religiösen Themen untersagen.
Eine solche Untersagung muss aber sachlich gerechtfertigt sein und so ist z. B. das Verbot politischer Diskussionen in einem Strickforum gerechtfertigt. Bei Facebook-Seiten ist dagegen eine Einschränkung der Nutzer durch eigene Richtlinien nicht erlaubt (Nr. I. E. der Seitenrichtlinien). Sie dürfen daher zwar eine Netiquette haben, darin aber keine eigenen Regeln aufführen, die Facebook-AGB einschränken würden, wozu Verbote bestimmter Diskussionsthemen gehören.
Allenfalls bei Facebook-Gruppen kann sich eine Einschränkung aus dem Gruppenthema ergeben. Wenn z. B. in einem Forum zum Onlinemarketing politische Aufrufe gepostet werden, ist deren Löschung erlaubt. Bei Facebook-Seiten, ist eine solche Einschränkung dagegen nicht möglich, es sei denn die Beiträge sind rechtswidrig, rein werbend oder belästigend.
Virtuelles Hausrecht bei rechtswidrigen Beiträgen
Sie dürfen in jedem Fall Beiträge entfernen, die rechtswidrig sind. Das ist eindeutig, wenn es sich um Beleidigungen oder die Behauptung unwahrer Tatsachen handelt. Oft sind die Verstöße aber nicht eindeutig erkennbar:
- Zum Beispiel ist es kaum zu erkennen, ob ein Nutzer die Berechtigung hat, ein Bild zu veröffentlichen.
- Ebenso ist es oft rechtlich nicht einfach einzuschätzen, ob eine Beleidigung vorliegt.
- Dann gibt es auch Fälle, in denen die Nutzer verlangen, dass eine Aussage über sie gelöscht wird.
In solchen Fällen müssten Sie eine summarische rechtliche Einschätzung liefern, was oft nicht möglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Aus diesem Grund sollten Sie handeln, sobald Ihnen konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß vorliegen. Im Zweifel sollten Sie nach angemessener Überlegung eher löschen (bzw. verbergen).
Denn die Wahrscheinlichkeit, dass jemand wegen einer Beleidigung/falschen Tatsache/Urheberrechtsverletzung gegen Sie vorgeht ist viel höher, als jemand der auf Wiederherstellung des eigenen Beitrags klagt. Zudem haben Sie einen gewissen Ermessensspielraum, was auch ein Recht zu Fehlern beinhaltet. Das insbesondere vor dem Hintergrund möglicher Haftung (dazu empfehle ich den letzten Beitragsteil zur Haftung für Nutzerbeiträge)
Virtuelles Hausrecht bei werbenden Beiträgen
Eine weiterer Fall, der Sie zur Löschung von Beiträgen berechtigt, sind mehr oder weniger versteckte Werbebotschaften. Diese sind ungefähr mit Mitbewerbern oder Unternehmen zu vergleichen, die in Ihrem Ladenlokal deren Werbung aushängen.
Auch hier sind die Grenzen oft schwer zu erkennen. Gewiefte Marketer verbergen die Werbebotschaften unter einem Deckmantel der erlaubten Meinungskundgebung. Daher empfehle ich, im Zweifel darauf wie im Beispiel hinzuweisen oder den Beitrag zu verstecken. Zudem ist unwahrscheinlich, dass sich jemand beschwert, weil ein heimlicher Werbeversuch erkannt wurde.
Virtuelles Hausrecht bei Blockierung des Seitenbetriebs
Gerade Shitstorms äußern sich dadurch, dass Nutzerbeiträge die Facebook-Seite quasi „überschwemmen„. Wird dabei ein Grad erreicht, der Ihnen eine reguläre Kommunikation mit Kunden oder nicht am Shitstorm Beteiligten unmöglich macht. Hier dürfen Sie ebenfalls Ihr Hausrecht ausüben.
Allerdings gilt auch hier, die Lage richtig einzuschätzen. Ein paar negative Kommentare reichen dazu nicht aus. Es muss sich eher um eine der physischen Welt entsprechende „Geschäftsbesetzung“ handeln.
Ferner müssen Sie zuerst zu milderen Mitteln greifen, bevor Sie Beiträge aufgrund der Blockadewirkung löschen. Dabei hat sich das folgende und transparente Vorgehen bewehrt:
- Ankündigung der Maßnahmen unter Angabe einer Frist (z. B. 1 – 2 Tage)
- Verweis auf die Möglichkeit zur Diskussion (z. B. Einrichtung einer Gruppe oder Verweis auf individuellen E-Mail-Verkehr).
- Löschung von Beiträgen nach Ablauf der Frist.
Wie Sie merken ist es sehr wichtig, den Teilnehmern nicht die Meinung zu verbieten, sondern diese lediglich zu kanalisieren. Das heißt aber nicht, sie z. B. auf eine Hotline zu verweisen oder ein externes Hilfeforum. Wenn sich die Nutzer darüber beschweren, dann wird es zu Recht sein.
Fazit und „Shitstorm“-Klauseln in AGB
Der Beitrag zeigt, dass sie kritische Beiträge nur dann löschen und Nutzer entfernen dürfen, wenn sie nicht zu einem Gruppenthema passen, rechtswidrig sind oder Ihre Facebook-Seite blockieren. Sollten Sie es dennoch tun, besteht die theoretische Möglichkeit, dass ein Nutzer Sie deswegen verklagt. Praktisch passiert dies aber so gut wie nie, sodass Sie im Zweifel sich für die Rechtssicherheit Ihrer Seite oder Gruppe entscheiden sollten.
Was die unberechtigte Löschung von Beiträgen oder das Entfernen von Nutzern angeht, ist vielmehr ein potenzieller Imageschaden zu berücksichtigen. Daher sollten Sie immer transparent bleiben und Beiträge nicht heimlich löschen oder Meinungen unterbinden.
Gewisse Unsicherheiten bleiben immer und sind bei der Kommunikation mit Menschen nicht zu vermeiden. Dieses Risiko müssen Unternehmen in Kauf nehmen. Da dies jedoch nicht immer der Fall ist, nehme ich „Shitstorm“-Klauseln in die AGB von Agenturen oder Dienstleistern auf. Ihr Zweck ist, die Unternehmen auf die Möglichkeit unvorhergesehener Nutzerreaktionen hinzuweisen und eine Abwälzung des Risikos auf Social Media Teams zu vermeiden.
Im nächsten Beitragsteil wird es wieder um Haftung gehen, dann für die Mitarbeiter.
Über Themenvorschläge und Fragen, die ich berücksichtigen sollte, freue ich mich auf meiner Facebook-Seite oder per Twitter.
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Wie sieht es denn mit Spambeitragen aus? Wenn der User andauernd das Gleiche postet, um mich als Seitenverwalter auszubremsen, am besten noch unter jeden Post anderer User als Kommentar?
Wenn ich ihn darauf hinweise und bitte, es zu unterlassen, da ich andernfalls seine Beiträge lösche – ist das erlaubt? Wie sieht es mit einem Block aus, wenn er es weiterhin nicht unterlässt?
Ist das ab einem bestimmten Maß als Schikane zu werten, was laut FB-AGB nicht erlaubt ist? („Du wirst andere Nutzer weder tyrannisieren noch einschüchtern oder schikanieren.“)
LG
Udo
Hallo, ich habe zwar keine Antwort darauf, da ich aber ein ähnliches Problem habe, würde es mich auch interessieren. VG, Petra
Wie sieht es mit negativen Kommentaren unter Facebook Ads aus, was ist hier das virtuelle Recht? Darf man die löschen? Immerhin hat das Unternehmen für die Anzeige bezahlt, da muss es doch nicht negative Äußerungen mit-promoten.
Wie sieht es denn aus wenn ich eine FacebookSeite für Restaurant Kritiken erstellt habe und jemand dort über ein Restaurant negativ, aber nicht beleidigend schreibt, sondern einfach nur das erlebte schildert. Wenn das betroffene Restaurant die Löschung des Posts fordert und mit rechtlichen Schritten droht, habe ich als Seieninhaber etwas zu fürchten?