Für jede noch so kleine Stadt existiert bei Facebook schon automatisch eine Community Page / ein Place. Aber was, wenn eine Stadt oder Behörde auf Facebook selbst aktiv wird und welche grundlegenden Fragen müssen hier beantwortet werden? Unser Gastautor Markus Sekulla beschäftigt sich deshalb heute genau mir diesem Thema.
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Facebook bei Städten und Behörden – funktioniert das?
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Facebook bei Städten und Behörden – funktioniert das?
Während Facebook für Unternehmen ein gut erforschtes Themengebiet ist, findet die Anwendung des größten westlichen Social Networks für Städte und Behörden bislang kaum Beachtung.
Als Vorzeigebeispiel kann hier der Facebook Auftritt der Polizei Hannover gesehen werden, die mit ihren Fahndungserfolgen mehrfach – positiv wie negativ – die Aufmerksamkeit der Medien erregt hat. Darüber hinaus versuchen sich viele Städte in digitaler Kommunikation. Das wohl bekannteste Beispiel für kreative Facebook- Nutzung einer Stadt konnte man vor einigen Wochen beim Schweizer Dorf Obermutten bewundern. Um eine Idee wie diese zu entwickeln brauchte es immerhin die wohl kreativste Werbeagentur Deutschlands. Allfacebook hat hier darüber berichtet.
Doch was machen Städte, die kein eigenes Werbebudget für Social Media Marketing haben? Dies dürfte zurzeit eher der Regelfall sein. Vielleicht hat eine Stadt sogar ein ausreichend hohes Budget, ist jedoch in dieser Hinsicht konservativ, und Gelder wandern eher in klassische PR Maßnahmen, als in das noch relativ neue Feld der Online PR über Facebook & Co.
4 wichtige Fragen
Gründliche Vorüberlegungen sind in jedem Projekt essentiell. Ein Facebook- Fanseiten-Projekt in Städten braucht diese vielleicht noch mehr als ein Unternehmen. Denn wenn man ein Projekt und damit Ressourcen bewilligt haben will, dann muss man dafür gute Gründe vorbringen.
Am Anfang müssen folgende Fragen ausgearbeitet werden: „Welche Ziele verfolge ich mit der Facebook Fanseite?“, „Wie ist die Zielgruppe definiert?“ und Stichwort Zielgruppe, warum sollte sie überhaupt mit mir kommunizieren wollen? also: „Was biete ich meiner Fangemeinde?“ Diese Überlegungen sollte jeder kennen, der eine Facebook Fanseite betreut.
Die vierte Grundsatzüberlegung ist rein praktisch, aber sehr entscheidend: „Wer ist für die Erstellung und Pflege der Fanseite zuständig?“ Viele Städteseiten werden nicht direkt von der Stadtverwaltung, sondern von den Tourismusbüros betreut, was mitunter eine völlig andere Ausrichtung des Contents bewirken kann. Eventuelle Zielkonflikte gilt es im Vorfeld zu identifizieren und die Ressourcen danach auszurichten.
Alles Fragen, die sicher auch für Unternehmen eine Rolle spielen. Im Bereich einer Stadt ist man jedoch bei der Beantwortung dieser 4 Fragen nicht ganz so flexibel wie ein Unternehmen es sein kann. Die Gründe? Die Probleme liegen in der Neuartigkeit des Mediums und der weniger flexiblen Organisationsstrukturen. Städte und Behörden haben meist eine klar abgegrenzte Arbeitsteilung. Für größere, neuartige Aufgaben müssen z.B. neue Stellen geschaffen werden. Jedoch werden die meisten Firmen mit einem großen Strukturapparat auch nicht sonderlich flexibel im Bereich Neuen Medien sein.
Zusammengefasst sollten folgende Fragen beantwortet werden:
- Wie ist meine Zielsetzung definiert?
- Wer ist für eine Stadt oder eine Behörde die Zielgruppe?
- Was biete ich meiner Fangemeinde?
- Wer ist für die Erstellung und Pflege der Fanseite zuständig?
Ziele und Zielgruppen
Ziele muss sich jede Facebook Page setzen. Was sich anhört wie ein Satz aus zweitklassigen Social Media Ratgebern aus dem Jahr 2009, hat bis heute seine Gültigkeit nicht verloren. Zu schnell läuft man Gefahr, Zeit und Geld sinnlos einzusetzen.
Dabei darf man die Zielsetzung der gesamten Unternehmens- oder Markenkommunikation nicht aus den Augen verlieren. Ihr muss sich die Social Media Strategie unterordnen, diese muss sie unterstützen.
Bei einer Stadt fallen als Kommunikationsziele häufig Schlagworte wie Transparenz, Vertrauen und der Servicegedanke gegenüber den BürgerInnen. Wo wir schon bei einer der möglichen Zielgruppen wären. BürgerInnen sind als ein Teil von so gut wie jeder städtischen Kommunikations-Zielgruppe auszumachen.
Bei dieser Zielgruppen-Definition kommt ein weiterer Faktor zum Tragen. Zu den BürgerInnen einer Stadt zählen auch körperlich und geistig behinderte Menschen. Diese müssen die Möglichkeit haben, die Mitteilungen einer Stadt empfangen zu können. Stichwort: Barrierefreiheit, zu dieser sind städtische Onlineangebote verpflichtet (Diese Verpflichtung kann zwischen den Bundesländern variieren, da dies auf Länderebene entschieden wird). Dies ist einer der Punkte, in welchen sich städtische Social Media Nutzung von der von Unternehmen differenziert.
Auch die Außenwirkung der Stadt darf nicht vernachlässigt werden. Neuigkeiten, Tourismus, wirtschaftliche Leistung und Lebensqualität sind Faktoren der Außendarstellung einer Stadt. Auch diese Themenschwerpunkte eignen sich hervorragend für die Verbreitung über Social Media Kanäle. Hier handelt es sich zwar nur bedingt um städtische Belange, und doch lässt sich hier die Zielgruppe der „Stadt- Interessierten“ ableiten.
Dies sind einige Beispiele für die Zielgruppe einer Stadt auf Facebook. Weitere Zielgruppenbestandteile sind nach Ausrichtung der jeweiligen Behörde in der Planungsphase auszuwählen.
Was biete ich meiner Zielgruppe
Die wohl wichtigste operative Frage eines städtischen Facebook Kanals ist die nach dem Content. Mit welchen Posts soll man einen Facebook Kanal einer Stadt überhaupt bespielen? Trial and Error ist die Antwort.
Wer kennt sie nicht, witzige Posts, die 100e Male geteilt werden. Lustige, kuriose oder niedliche Bilder und Videos (?) sind wohl das effektivste Mittel im Rennen um Likes, Shares oder Comments. It simply works! Doch kann man derartige Updates als Stadt posten? Schwierig, aber es geht. Auf den Bezug zur Stadt kommt es beim Engagement an!
Eine kurze Anekdote soll helfen, die Contentauswahl zu beleuchten: Ich gehe durch die Düsseldorfer Altstadt und sehe einen umgekippten (Plastik-)Weihnachtsmann, der durch den Sturz seinen Kopf verloren hatte. Ein Bild, bei dem jeder der vorbeigehenden Passanten ins Schmunzeln geriet. Also, Kamera raus und den Moment verewigen. Frage: „Als Stadt posten, ja oder nein?“ Ich bin mir sicher, dass mehr als 50% der Leser mit „Nein, das ist kein Content für eine Stadt“ antworten würden. Wir haben es trotzdem gepostet und die Resonanz war zu unserer Überraschung durchweg positiv. Von: „Danke, dass hier auch mal mehr passiert als nur Pressemitteilungen“, bis hin zu Lob: „Wie sehr wir Social Media verstanden hätten“. Wir haben etwas riskiert und es ist gut gegangen. Genauso hätten BürgerInnen und Zeitungen bei uns sturmklingeln können.
Vor allem auf die Dosis kommt es an. Postet man nur Fotos von umgefallenen Weihnachtsmännern, wird man als Stadt nicht ernst genommen. Im Gegenteil, man verliert an Ernsthaftigkeit und Zitierfähigkeit. Natürlich dürfen städtische Belange nicht zu kurz kommen, und auch eine Meldung, dass Strasse xy zwischen 14 und 15 Uhr gesperrt ist, gehört dazu, doch damit wird man die Fans kaum dazu bringen sich aktiv einzubringen. Eben darum ist es ja auch Social Media – und kein Presseverteiler.
In diesem Bereich muss man als Admin Fingerspitzengefühl beweisen und die richtige Mischung zwischen ‚zu offiziell’ für den User und ‚zu flapsig’ für eine Stadt finden.
Die Lehre aus der Weihnachtsmann Geschichte für uns war schlichtweg: Man muss sich an die Wünsche der Fans herantasten und zu einem gewissen Grad kann und soll die Community sogar über den Content entscheiden. Vor allem, wenn sich die Fangemeinde nicht für den Content interessiert, zu wenig interagiert, muss man flexibel sein. Man kann schließlich kaum vorher wissen, worauf eine Community positiv reagiert.
Wie eingangs erwähnt sind nicht alle Fans eines städtischen Facebook Accounts unbedingt auch Bewohner der Stadt, sondern vielleicht Touristen oder Stadt-Interessierte. Während BürgerInnen meist an aktuellen Posts rund um das Stadtgeschehen interessiert sind, sprechen Touristen andere Inhalte besser an. Auch hier ist Flexibilität gefragt.
Auch beim Thema Reaktionszeit ist ein deutlicher Unterschied zwischen Stadt und Unternehmen auszumachen. Um es auf den Punkt zu bringen: Städten und Behörden sieht man eine langsamere Reaktionszeit nach. Der Grund dafür ist nicht etwa, dass bei einer Stadt keiner schnell reagieren kann oder möchte, sondern, dass Firmen meist mit ihren Kunden via Facebook kommunizieren. Und Kunden haben einen Serviceanspruch. Bei einer Stadt hat man diesen zwar auch, jedoch in weniger ausgeprägter Form als in Unternehmen.
Fanwachstum – Organisch oder mit Kreditkarte?
Eine weitere spannende Frage: „Wie kommt man zu einer Fanbase?“ Als Stadt findet man recht schnell Leute, die mit einem reden wollen. Doch diese treten nicht alle in konstruktiven Dialog. Sich über städtische Belange zu beschweren steht online wie offline recht hoch im Kurs. Doch will man diese Art Fans?
Ich meine: „Ja, unbedingt will man die.“ Denn vor allem bei dieser Art der Fragen, den Brennenden, den Ungemütlichen, hat man die Möglichkeit sich als Stadt richtig zu präsentieren. Wenn man Nutzern ein Medium anbietet, auf dem Dialog stattfinden kann und soll, dann muss man auch mit vermeintlichen „Trollen“ und „Nörglern“ rechnen, und vor allem adäquat reagieren.
Will man dem Fanwachstum ein wenig auf die Sprünge helfen, in Unternehmen ein oft angewandtes Mittel, wird man bei einer Stadt an seine Grenzen stoßen. Erstens gehen die Ausgaben oftmals „längere Wege“ als in Unternehmen, zweitens muss man sich Fragen zum Ausgeben von Steuergeldern gefallen lassen. Auf Gewinnspiele oder Verlosungen sollte man also nicht zurückgreifen. Persönlich halte ich zwar nicht viel von dieser Art Fangewinnung, doch ist sie allgegenwärtig auf Facebook. Würden Städte etwas verlosen wollen, sagen wir ganz fiktiv, ein iPad, so dauert es nicht lange und das Presseamt darf Bürgerfragen beantworten, warum Steuergelder für die Facebook Fanzahl der Stadt verschleudert werden. Trolle? Nörgler? Nein, diese Anfragen wären vollkommen berechtigt. Dies ist also ein weiterer Punkt, in dem sich städtische Facebook Aktivitäten von denen eines Unternehmens unterscheiden.
Aus der Praxis – 3 deutsche Behörden auf Facebook
Um das Thema plastischer darzustellen habe ich 3 Beispiele von städtischen Facebook Seiten ausgesucht:
Stadt Frankfurt am Main
Stadt Düsseldorf
http://www.facebook.com/duesseldorf
Düsseldorf hat einen bunten Mix zwischen städtischen Informationen, (Screenshot: Fahrradversteigerungen) Events, Sportlichem, etc. gefunden. Dabei ist der Community Gedanke ähnlich dem des Frankfurter Accounts. Diskussionen sind an der Tagesordnung. Auch Links von Extern ((lokale) Zeitungen, Sportvereinen) werden gepostet um ein möglichst umfassendes Bild von den Aktivitäten in der Stadt zu geben.
Polizei Hannover
Fahndungen nach Straftaten waren das zentrale Element der Seite. Fotos von Opfern und Tätern wurden gepostet. Absprachen mit den Betroffenen (oder den Angehörigen) und den zuständigen Staatsanwaltschaften mussten getroffen werden. Hinweise sollten jedoch auf keinen Fall an die Wall oder in die Kommentare, sondern direkt per Telefon an die Polizei gerichtet werden.
Erfolg gibt einem nicht immer recht, so wurde die Facebookseite der Polizei Hannover Ende Januar 2012 zwischenzeitlich stillgelegt, mittlerweile aber wieder – unter anderen Vorraussetzungen – in Betrieb genommen.
Die Nutzung von Facebook war für die Polizei ein erfolgversprechendes Konzept, da die ausgemachte Zielgruppe genau bedient werden konnte.
Fazit
Es gibt auch auf Behördenebene viele erfolgversprechende Wege Facebook und andere Social Media Kanäle zu nutzen. Vor allem muss man sich mit den unterschiedlichen Gegebenheiten zwischen Behörden und Unternehmen vertraut machen. Auf beiden Seiten brauchen die entstehenden Communities guten Content und sich daraus ergebende Mehrwerte. Dann kann Facebook für Städte und Behörden auch funktionieren.
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