Wie ich eine Gang gründe oder: Community Management neu gedacht

– Gastbeitrag von Thomas Meyer –

Um was es heute geht? Um Gangs und um Blasen …

Also, wir gründen heut ’ne Gang. Wart Ihr mal in einer? Ich schon – mit 15 oder so. Total lächerlich, aber was tut man nicht alles für die Girls ;-) (Haupterkenntnis aus der Zeit: Tattoo’s sticht man sich nicht selbst!)

Gut, also: Gangbildung im Social Media Management. Was wie ein fragwürdiger Vortrag bei einem völlig überteuerten Barcamp klingt, ist ausnahmsweise mein voller Ernst.

Mir kam die Idee schon vor einigen Wochen. Ein Kumpel aus früheren Tagen besuchte mich in Wien. Wir waren am Wochenende aus. Club, Feiern. Auf die alten Zeiten. Hoch die Hände, Wochenende und so. Chris und ich kommen aus verschiedenen Welten. Ich T-Shirt, Tattoo’s und Ösi-Dialekt. Er Porsche, Ralph Lauren und perfektes Hochdeutsch. Macht aber nichts. Was zählt sind nicht die Unterschiede, sondern Gemeinsamkeiten.

Also, wir im Club. Eins führt zum anderen. Er quatscht ein Mädchen an, weiß aber nicht, dass sie mit ihrem, sagen wir mal leicht aggressionsbehafteten und vereinnahmenden, Freund da ist. Es folgen Beschimpfungen seinerseits. Chris ist überfordert. Auf „Hast Du meine Freundin angemacht Du Dummer, scheiß Penner? Ich mach Dich fertig, du Arschloch“ folgt ein „Es tut mir sehr leid, doch entging es meiner wohl schon vom Alkohol getrübten Aufmerksamkeit, dass die Dame vergeben ist.“ (Ich schwöre…so redet Chris). Ich sah Flammen in den Augen seines Gegenübers auflodern.

Chris blumige Ausführungen säten noch mehr Wut und provozierten ihn. Ja, er kam sich verarscht vor. Chris‘ hilfesuchender Blick traf den meinen. Ich stellte mich vor ihn, nach 2 Minuten war die Sache geregelt. Warum? Weil ich dem Typen in seiner Sprache erklären konnte, dass es ein Versehen war und Chris einfach nicht wusste, dass das seine Freundin war, auf Augenhöhe. In seiner Sprache (ok Leute, ich bin vielseitig. Manchmal Business. Manchmal Street ;-)) Der Abend endete übrigens damit, dass wir uns nach ein paar gemeinsamen Drinks und viel Gelächter ein Taxi teilten. Ende gut. Alles gut.

Halten wir fest: Unter der Prämisse, dass Sprache sozialmilieuabhängig ist, funktioniert sie auch nur auf Augenhöhe und führt nur so zu Problemlösungen.

Anders ausgedrückt: Wenn Sprache an die Herkunft bzw. das Sozialmilieu gebunden ist, entsteht Glaubwürdigkeit nur, wenn dieselben Sprachmuster und das gängige Vokabular wie im Kollektiv verwendet werden.

Was bedeutet das nun? Ganz einfach: Ihr wisst es alle selbst. Egal ob B2B oder B2C (wobei ich an diese Unterscheidung schon längst nicht mehr glaube): keine Zielgruppe ist 100% homogen. Nein, nein und nochmals nein! Sie haben vielleicht dasselbe Bedürfnis, nämlich das nach Eurem Produkt, aber sie sind und bleiben trotzdem Individuen – mit all ihren Macken. Aber – und jetzt wird´s ganz crazy – sie alle haben auch Gemeinsamkeiten. So wie Chris und ich.

Man muss halt zwei, drei oder vier mal hinsehen, bevor man sie erkennt. Und genau so verhält es sich online. Auf den  ersten Blick erscheint der BMW-Prolo als BMW-Prolo, der niemals Club Mate trinken würde und der Club Mate Hipster als Club Mate Hipster, der sein klappriges Rennrad nie gegen einen BMW eintauschen würde. Doch, und daran halte ich fest: es gibt mit Sicherheit Gemeinsamkeiten. Gut. Jetzt wird es ein wenig komplizierter.

Wir kommen zum Thema Community Management. Also der Umgang, die Interaktion mit Euren Fans.

Bis jetzt dachten wir immer, wir hätten eine einheitliche Zielgruppe und es ist unsere krasseste Aufgabe dies auch beizubehalten. Das Konzept stimmt ja jetzt nicht mehr 100%ig. So, wie sollt Ihr, als Community-Manager nun all diesen verschiedenen, in sich völlig unterschiedlichen Menschen, glaubwürdig und auf Augenhöhe begegnen?

Denn ja, auch Ihr seid natürlich einzigartig. Du…Du magst vielleicht Yoga und reist gerne in weit entfernte Länder. Aber Du dort, ja. Du! Du magst auch Yoga, hasst aber fliegen. Oder Du: Du hast Marketing studiert und wurdest vor ein paar Jahren mal von nem Nazi doof angemacht. Und Du? Du hast dasselbe studiert und vor drei Jahren wurde Deinem Vater der Job weggenommen – von einer billigeren Arbeitskraft aus dem Osten.

Wisst Ihr was ich meine? Ok, zugegeben: völlig überspitzt, doch eines ist klar: wir sind alle Produkte unserer Vergangenheit und unseres sozialen Umfelds. Warum funktionieren denn zum Beispiel Produktbewertungen vom Konsumenten so gut? Weil sie fucking authentisch sind! Man glaubt den Menschen mit denselben Interessen und derselben Persönlichkeitsstruktur.

So, ich schweife ab.

Das hat eine, extrem weitreichende Folge: Euer Job kann es nicht sein, mit jedem Eurer Fans/ Follower authentisch und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Das geht per Definition nicht. Nicht problemorientiert. Nicht glaubwürdig. Nicht effizient. Wir sind in unseren Blasen gefangen, ein Ausbruch ist immer nur bedingt möglich.

Euer Job kann sein, Cluster zu bilden und für jeden Cluster Influencer zu identifizieren, die die Kommunikation für Euch übernehmen – Euer Sprachrohr werden. Ich rede aber nicht Bloggern oder Lobbyisten. Ich rede von ganz normalen Fans. Von Max Mustermann oder Thomas Meyer #dankefürdengeilennamen #not

Vereinfacht gesagt: Gründet ne Gang.

Gründet ne Gang, in der jeder seine Aufgabe hat. Jeder hat seine, von Euch definierte Zielgruppe. Haltet die Gangmitglieder bei Laune. Kümmert Euch um sie. Versorgt sie mit Insider-Informationen. Lasst sie aktives Community-Management machen. Ihnen wird man Glauben schenken. Ihnen wird man vertrauen. Euch leider nicht.

Denkt in Schubladen (ich fasse nicht, dass ich das gerade gesagt hab…), denkt in Klischees. Holt alle Vorurteile raus, die Euch einfallen und probiert einfach aus. Was gibt es geileres, als eine sich selbst regulierende Community.

Verabschiedet Euch von dem Gedanken, Eure Zielgruppe zu kennen.

Konzentriert Euch auf ein paar, fünf, sechs. Beschäftigt Euch intensiv mit ihnen. Lernt sie kennen. Stellt Fragen. Der Facebook Messenger bietet sich zum Beispiel an. Oder Instagram, oder auch Snapchat. Ja verdammt. Jede Plattform bietet diese Möglichkeit. Bindet sie. Zuerst an Euch, dann proaktiv in die Community.

Bloggerrelations sind schön und gut …, aber auch deren Zielgruppe ist zu groß und heterogen. Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass der Wunsch nach unserem Produkt ausreichende Gemeinsamkeit ist. Wie geht´s wohl den Community-Managern der Tagesschau? Oder einer politischen Partei? Das sind Extrembeispiele, aber es trifft auf jede Branche und jedes Produkt zu.

Sucht Eure Gangmitglieder weise aus und wechselt sie bei Bedarf aus.

Macht geheime Facebook-Gruppen , ladet sie (so absurd das klingen mag) zu Veranstaltungen ein. Geht einen mit ihnen heben. Schiebt ihnen Informationen zu. Zeigt ihnen Wertschätzung, sie werden nicht von Eurer Seite weichen. In guten wie auch schlechten Zeiten – wie das halt so in Gangs ist…

Die großen Blogger sind auch nur eindimensionale Werbeträger. Es findet kein Dialog statt. Der kleine Fan ist der wahre Multiplikator, denn er verbreitet Eure Message aktiv, bei Gefahr verteidigt er Euch. So wie ich und Chris.

Bildet Communities innerhalb der Community. Egal, wie groß Eure Kanäle sind. Egal, wie vermeintlich spießig Euer Produkt ist. Sexyness ist hier ausnahmsweise kein entscheidender Faktor. Denn eines ist klar: Kommunikation auf verschiedenen Ebenen geht unweigerlich schief. Wenn überheblich auf niveaulos oder intellektuell auf ….Ihr wisst schon was ich meine trifft, gibt´s bald mal eins aufs Maul. So wie im Club. So wie bei Chris.

Thomas Meyer
Thomas Meyerhttp://www.swat.io/
Thomas Meyer ist Head of Sales bei Swat.io, einer Social Media Management Lösung die Unternehmen bei Content Planung & Kundenservice auf Facebook & Co. unterstützt. Zu deren Kunden zählen RTL Mediengruppe Deutschland, ZDF, ARD.de, Focus Online, Burda Intermedia, 3Österreich, Hitradio Ö3, ÖBB u.v.m. Zusätzlich unterrichtet er Social Media Marketing an der FH Kufstein und der Werbeakademie Wien.

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4 Kommentare

  1. Hi. Klar. Können ja gern ein wenig über deinen Usecase brainstormen? Wenn du willst….
    In welcher Branche arbeitest du?

  2. Geiler Artikel! Für unser StartUp hand-im-glueck.de haben wir bereits Ansätze deines Artikels realisieren können, also Vorbilder aus der Community vorzustellen, ihnen ein Gesicht und einen Blogbeitrag zu geben, sie auf FB zu promoten…usw. Diese Vorbilder aber nochmals gezielt in einzelnen Clustern einen Managementbereich zu geben, ist nochmal ein richtig wichtiger, geiler Anstoß! DANKE! Gut, dass du und Chris diesen Abend erlebt habt und du diese Versinnbildlichung mit uns teilst :)

  3. Mein Gott, geilster Artikel hier seit langem. Mega! Ich werde mal schauen, wie ich das umsetze. Aber amüsiert hat mich dein Schreibstil schon mal sehr. ;-)

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