Whitepaper: Die Augen geradeaus. Social Military? (Gastbeitrag)

Als wir eine Anfrage für dieses Thema erhielten konnte wir kaum Nein sagen. Facebook und das Militär? Super interessant! Deshalb präsentieren wir heute einen Gastbeitrag von Christian Möller der sich dem Thema Social Military widmet.

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Whitepaper: Die Augen geradeaus. Social Military?
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Das Whitepaper in Form eines Blogbeitrags:

– Gastbeitrag von Christian Möller –

Immer mehr Unternehmen und Institutionen entdecken Facebook für sich. Doch eignen sich soziale Netzwerke auch für das Militär? Die L. A. Times empfiehlt den Social Media Guide der U.S. Navy – für Wahlkämpfer.

Zwar ist es nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen, ob es sich tatsächlich um offizielle Präsenzen oder eher um inoffizielle Fanzines oder Veteranen-Projekte handelt, doch zunehmend entdeckt auch das Militär soziale Netzwerke für sich: so sind unter anderem die U.S. Navy, die U.S. Army oder auch die britische Armee offiziell auf Facebook, Twitter oder YouTube (bzw. „Bluetube“) vertreten – und werden 100.000-fach gemocht.

Auch die deutsche Bundeswehr betreibt einen YouTube Kanal, ist bei flickr und twittert. Eine offizielle Facebook-Präsenz oder weitere Social Media-Auftritte sind nach Angaben eines Sprechers des Verteidigungsministeriums jedoch vorerst nicht geplant.

Vor allem für Berufsarmeen bieten die sozialen Netzwerke zunächst einmal ein neues Instrument für die Rekrutierung. In aufwändig produzierten Videos betreiben unter anderem U.S. Navy oder Marines auf Facebook & Co. Werbung für den eigenen Nachwuchs. Oftmals ist bereits an der darunter liegenden Top Level Domain (etwa .com statt .mil) erkennbar, dass es sich um den professionellen Recruitment-Arm der Streitmacht handelt.

If the Air Force does not tell its own story, someone else will.

Doch auch außerhalb der Nachwuchsgewinnung nutzen die Streitkräfte Social Networks zur Kommunikation nach innen und außen – und neuerdings sogar zur Kommunikation in Krisensituationen, wie beispielsweise bei der Überschwemmung der Navy Base in Millington im Mai 2010.

Vor allem in den USA haben nicht nur die Stäbe und Ministerien das Web 2.0 für die Kommunikation entdeckt, sondern sie ermutigen auch ihre Soldaten, es ihnen nachzutun. Nachdem anfänglich noch versucht wurde, ein generelles Verbot durchzusetzen, hat das US-Militär über die letzten Monate die offiziellen Internetzugänge für die Nutzung von sozialen Medien freigegeben. Gleichzeitig erstellt das US-Verteidigungsministerium heute Richtlinien und Handreichungen für ihre Soldaten, um einen verantwortungsbewussten Umgang damit zu ermöglichen.

„Wir wissen, dass wir nicht perfekt sind, aber wir arbeiten daran“, heißt es dazu in dem Handbuch „Social Media and the Air Force“, dem ersten Handbuch dieser Art, das die US-Luftwaffe 2009 veröffentlicht hat.

Die deutsche Bundeswehr rät ihren Soldaten derzeit hingegen noch davon ab, Social Media aus dem dienstlichen Umfeld heraus zu nutzen, da Einzelpersonen komplexe Zusammenhänge meist nur unvollständig wiedergeben könnten und Soldaten zudem zur Verschwiegenheit verpflichtet seien, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums gegenüber infsocblog.org.

We know it’s not perfect, but we’re working on it.

Auch die US-Luftwaffe ist sich bewusst, dass soziale Netzwerke und die Sicherheit von militärischen Operationen (OPSEC) an den entgegengesetzten Enden des Kommunikations-Spektrums stehen: Während bei der OPSEC der Schutz von Informationen gewährleistet werden soll, steht in sozialen Netzwerken das Teilen von Informationen im Vordergrund.

Die Konsequenz, die die U.S. Air Force hieraus zieht, ist jedoch nicht, den Umgang mit sozialen Netzwerken einzuschränken, sondern den Soldaten einen verantwortungsvollen Umgang mit den neuen technischen Plattformen zu vermitteln – egal ob in einem Telefongespräch mit ihren Eltern, einem Online-Chat, einem Brief oder einer E-Mail, in einem sozialen Netzwerk oder im persönlichen Gespräch.

Auf knapp 30 Seiten werden verschiedene Web 2.0-Anwendungen vorgestellt und Soldaten ausdrücklich ermutigt, diese auch zu nutzen. Es werden Best Practices geschildert, dem Leser hilfreiche Bookmarks an die Hand gegeben und insgesamt der Umgang mit einer veränderten Medienlandschaft behandelt.

In dem Katalog der „Top 10 Tips for New Media“ steht zwar auch die Sicherheit wieder an erster Stelle, daneben werden aber auch erstaunlich praktische Hinweise gegeben: Man solle stets transparent kommunizieren und sich als Mitglied der U.S. Armee erkennen geben, keine falschen Tatsachen vorspiegeln, sich auf sein Fachgebiet zu beschränken – und insgesamt einfach mal den gesunden Menschenverstand einschalten.

Erstaunlich mag angesichts des Urhebers dieses Handbuches auch die Aufforderung sein, man solle keine Angst haben, auch mal ein kalkuliertes Risiko einzugehen („Don’t be afraid to take calculated risks“). Diese Aufforderung spiegelt wahrscheinlich am besten die offenkundige Philosophie der US-Armee wider, die die Verantwortung eher beim Einzelnen sieht und das Risiko, nicht im Web 2.0 aktiv zu sein, höher einschätzt als die Gefahr, dabei vielleicht einmal einen Fehler zu machen.

Loose Tweets Sink Fleets

Auch andere Teilstreitkräfte folgten dem Beispiel der Air Force. In ihrem Politik-Blog „Top of the Ticket“ nahm sich die L.A. Times kürzlich dem im Herbst 2010 erschienenen Social Media Guide für Offiziere der U.S. Navy aus einem ganz anderen Grund an: Sie empfahl ihn zur Lektüre für Wahlkämpfer.

Auch dieses Handbuch, das vom Emerging Media Integration Team der U.S. Navy zusammengestellt wurde und sich eher an leitende Offiziere denn an Mannschaftsdienstgrade wendet, gibt eine Einführung in die Welt der neuen Medien und liefert praktische Tipps, wie man diese sicher nutzen kann.

Und auch die Navy ermutigt ihre Offiziere, soziale Netzwerke zu nutzen und gibt wiederum erfrischend pragmatische Hinweise zum Umgang mit Copyrights oder zur Teilnahme an Diskussionsforen als Marine-Angehöriger. Auch Hilfestellungen, wie die Familien der Soldaten geschützt werden können, fehlen nicht, genauso wenig wie Empfehlungen für den Umgang mit Freundschaftsanfragen von Untergebenen in sozialen Netzwerken. (Letzteres ist sicherlich ein Kapitel, das auch für viele Universitäts-Dozenten oder Lehrende von Interesse sein kann.)

Use Common Sense

Bemerkenswert ist jedoch auch, das OPSEC und Kommunikation hier eben nicht mehr als Gegensatz dargestellt werden, sondern als die beiden Seiten derselben Medaille: „Communicate OPSEC measures…“ steht als goldene Regel allem voran.

Die zugrunde liegende Philosophie aller jüngeren Veröffentlichungen des amerikanischen Department of Defense ist, dass man es sich nicht leisten kann, Social Media nicht zu nutzen. „The enemy is engaged“, heißt es sehr militärisch, meint jedoch einfach, dass eine Kommunikation auf Facebook und Co. in jedem Fall stattfindet – die Frage ist nur, ob man sich daran beteiligt oder außen vor bleibt.

Ob nun für Offiziere oder Wahlkämpfer: Beide Handbücher sind empfehlenswert vor allem für große Institutionen, die ein berechtigtes Sicherheitsinteresse wahren müssen – neben dem Militär etwa auch diplomatische Einrichtungen, Behörden oder auch größere Unternehmen – jedoch trotzdem nicht auf die Teilnahme an neuen Kommunikationsformen verzichten müssen.

Aber auch für alle anderen liefern die Handbücher einen hervorragenden Anlass, einmal die eigene Philosophie sozialen Netzwerken gegenüber zu überdenken. Eine Anregung, die man vielleicht nicht unbedingt vom US-Militär erwartet hätte.

Über den Author:

Christian Möller, M.A., arbeitet als freier Medienwissenschaftler (theinformationsociety.org) in Hamburg und ist Herausgeber des infsocblog.org.

Gastautor
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5 Kommentare

  1. Bei Unternehmen regt sich doch auch keiner auf wenn die Auftritte Au FB haben. Da ist nur konsequent ihr recruiting auf verstärkt auf FB zu betreiben. Die Bundeswehr hingt hier extrem hinter her und versucht jetzt mit Youtube Channel aufzuholen. Wenn die Wehrpflicht endgültig weg fällt muss auch die BW stärker über andere Methoden der Mitarbeiterrekrutierung nach denken.

  2. Die britischen und die US-Streitkräfte gehen bereits seit einiger Zeit sehr offen mit Social Media um. Schon vor dem Hype rund um Facebook haben beispielsweise die US-Streitkräfte Blogger-Relations aufgebaut. So lädt die Navy seit 2008 Blogger auf Flugzeugträger ein (Streitkräfte und Social Media: Wenn Blogger auf der USS Ronald Reagan landen): http://www.injelea-blog.de/2010/07/20/streitkrafte-und-social-media-wenn-blogger-auf-der-uss-ronald-reagan-landen/

  3. Und? Die Organisationstrukturen ähneln vielfach denen privatwirtschaftlicher Unternehmungen, ebenso nutzen selbstverständlich auch die Mitarbeiter staatlicher Institutionen die entsprechenden Webformate. Das ist weder kontrovers noch wahnsinnig interessant!

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