– Gastbeitrag von Christiane Germann –
Dass die Aufgabe der Facebook-Seite bei einer Politikerin oder einem Politiker Schlagzeilen produziert, haben vor Angela Merkel schon andere erlebt: Der ehemalige sächsische CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich, die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli, der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck. Diese Woche nun – bäm! – verkündete die mächtigste Frau Deutschlands, ihre Fanpage mit 2,5 Millionen Abonnenten bald abzuschalten.
Viele fragen sich irritiert: Ist ihre eigene Begründung, sie sei nun ja keine CDU-Vorsitzende mehr, eine Ausrede, und woran liegt’s wirklich? Zu viele Trolle? Ein schrittweiser Rückzug aus der Öffentlichkeit (und möglicherweise bald aus dem Kanzlerinnenamt)? Ist Facebook ein Auslaufmodell, wenn doch mehrere Politiker/innen in so kurzer Zeit dem blauen Riesen öffentlichkeitswirksam den Rücken kehren?
Letzteres kann man schon mal verneinen: Es spricht für die Relevanz von Facebook, dass jede Änderung an der dortigen Aktivität für Wirbel sorgt – und die Bundeskanzlerin sich per Video („Liebe Facebook-Gemeinde“) persönlich dazu erklärt. Die anderen Vermutungen mögen zu ein paar wenigen Prozent stimmen. Der Blick eines Social-Media-Beraters fällt immer (auch) auf die interne Organisation und das mögliche Kommunikationskonzept, und unter diesem Licht ist der Schritt und seine Begründung total nachvollziehbar.
Die Facebook-Seite wird bzw. wurde von der CDU-Bundesgeschäftsstelle administriert, die sich, wie man hörte, dabei aber immer eng mit dem Kanzleramt abstimmen musste. Wer Behörden von innen kennt, kann sich vorstellen, wie sehr so viele Abstimmungsschritte die Social Media-Arbeit behindert haben, die nun mal auch spontan und persönlich sein sollte, gerade bei Politikerinnen und Politikern. Die Seite bot daher folgerichtig auch nichts Spannendes oder Exklusives: Sie bildete Reden, Veranstaltungen und öffentliche Statements ab, es gab Sharepics und (abgestimmte) Zitate. Am interessantesten war da noch der Info-Bereich, wo man erfahren konnte, was die Kanzlerin gerne in ihrer Freizeit macht, was sie sich gerne im Kino und TV anschaut (Tatort und „Jenseits von Afrika“) und welchen Traum sie sich bisher noch nicht erfüllen konnte (mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostok reisen). Besonders suboptimal: Ein sichtbares Community Management fand nicht statt. Persönliche Nachrichten waren deaktiviert, die durchschnittlich rund 1.500 Kommentare pro Beitrag blieben unbeantwortet. Unzufriedene und Politik-Frustrierte konnten sich unter den Posts wunderbar austauschen und gegenseitig bestätigen. Meiner Erfahrung nach entwickelt sich so eine Fanpage, wenn die Social Media Professionals nicht nahe genug an der Person dran oder zu vielen Restriktionen unterworfen sind, um sie authentisch zu pflegen.
Bereits in den letzten Jahren war es spannender, Merkel bei Instagram zu folgen oder die Facebook-Seite der Bundesregierung zu liken. Diese beiden Kanäle werden vom Bundespresseamt administriert, was bedeutet, dass die Abstimmung innerhalb einer Organisation stattfinden kann. Und das merkt man: In den Instagram Stories kann man ihr durch jeden Tag folgen, auf der Fanpage der Bundesregierung wird informativ, schnell und auch mal lustig auf Fragen und Kommentare reagiert. Natürlich sind auch diese Auftritte nicht wirklich „persönlich“ – dazu ist Angela Merkel (leider) einfach nicht der Typ. Der Unterschied ist aber dennoch riesig. Im Abschiedsvideo auf ihrer Facebook-Seite verweist die Kanzlerin auch auf diese Kanäle und bittet darum, ihr dort zu folgen.
Damit schlägt sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie schließt einen „schwerfälligen“ Kanal, der (aufgrund ihrer eigenen Regeln) schwer zu pflegen war und auf dem sich auch deshalb mittlerweile eine negative Community breit gemacht hat, zugunsten anderer, gut laufender Kanäle (im gleichen Netzwerk). Sie befolgt, was wir Social-Media-Berater immer sagen: Es geht nicht darum, überall ein Profil oder eine Seite zu haben, sondern seine Zielgruppe mit den richtigen Inhalten auf den richtigen Kanälen anzusprechen. Das ist meilenweit entfernt vom jammernden Habeck, der generell keine Lust hat, sich online mit Bürgerinnen und Bürgern auseinander zu setzen, und deshalb sozialen Netzwerken gleich ganz und noch am selben Tag den Rücken kehrt. Merkel verabschiedet sich mit einem gut gelaunten Clip, in dem sie ihren Facebook-Fans dankt.
Fazit: Ihre Entscheidung beziehungsweise die des Adenauer-Hauses ist strategisch klug. Wann auch immer Merkels Kanzlerinnen-Zeit zu Ende ist, kann sie neu entscheiden, wo sie sich dann zu Wort meldet. Eine Menge Fans sind ihr schon jetzt sicher.
Ist wirklich „strategisch gut“ von ihr, sich mal wieder der Verantwortung zu entziehen.
Auf FB schlug ihr zu 90% nur noch Kritik entgegen, wovon sie ja aber nix hören will.
Also abhauen und lieber zu Insta Likes für bescheuerte Fotos einheimsen.
„Das ist meilenweit entfernt vom jammernden Habeck, der generell keine Lust hat, sich online mit Bürgerinnen und Bürgern auseinander zu setzen, und deshalb sozialen Netzwerken gleich ganz und noch am selben Tag den Rücken kehrt.“
Ich bin den Grünen eher kritsich eingestellt, aber die Aktion von Habeck war wirklich, wirklich gut. Er hat erkannt, dass die momentan gelebte Online-Kommunikation den Diskurs vergiftet, dass die bestehenden Tools nahezu jeden Menschen dazu verleiten, maximal polarisierend zu formulieren (siehe Ihre übergriffige Formulierung zu Habeck) und diese Tools und Kanäle zu einem guten Teil Mitschuld an der gesellschaftlichen Spaltung tragen und daher brandgefährlich sind. Ja – wir müssen mehr miteinander reden – aber sicher nicht online. Und das sage ich als jemand, der lange Zeit mit Social Media sein Geld verdient hat.